Einige interessante Entscheidungen gibt es zu der Frage, wann das Umsetzen (genannt: „Abschleppen“) eines Fahrzeuges erlaubt ist, wenn sich in dem Fahrzeug ein Zettel befindet, dass der Fahrer nur kurz weg ist und unter einer bestimmten Telefonnummer erreichbar ist. Das Verwaltungsgericht Hamburg hat z.B. in einer Entscheidung vom 29.9.2000 (A.Z.: 3 VG 268/2000) entschieden, dass in einer solchen Situation das Abschleppen nicht einfach angeordnet werden kann. Einige Gerichte haben sich dem angeschlossen. Es soll schon erst der einfachste, preiswerteste Weg für die Beseitigung der Verkehrsbeeinträchtigung beschritten werden. Und der besteht nun einmal darin, den Kfz-Halter einfach anzurufen. Anstatt das Umsetzen anzuordnen. In einem aktuellen Fall hatte nun ein Busfahrer seinen Bus vor einem Taxistand abgestellt und einen Zettel mit seiner Handynummer hinterlassen. Soweit, so gut. Aber dann der Knackpunkt: auf einen Anrufversuch des Amtswalters konnte der Fahrer nicht erreicht werden. Unter diesen Voraussetzungen sei das Umsetzen in jedem Falle rechtmäßig, so das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 9.4.14 – A.Z. 3 C 5.13). In dem entschiedenen Fall war die Abschleppmaßnahme zwar noch nicht umgesetzt, aber schon eingeleitet. Und es ging um die Frage, ob der Halter die Kosten tragen muss. Dies ist der Fall, so das BVerwG. Und zwar schon deshalb, weil der erste Anruf nicht zu dem gewünschten Erfolg führte. Mit dem Abschleppen müsse nur gewartet werden, wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte damit zu rechnen ist, dass der Verantwortliche aufgrund des Anrufes kurzfristig das Fahrzeug selbst wegfährt. Dies ist nicht der Fall, wenn er nicht sofort telefonisch erreicht wird. Im vorliegenden Fall war das Pech: nur zehn Minuten nach dem Anordnen der Maßnahme erschien der Busfahrer – zu spät, die Umsetzkosten mussten bezahlt werden. Dr. Henning Karl Hartmann, Fachanwalt für Verkehrsrecht
Read MoreDas Strafverfahren dient der Ahndung der Tat gegen den Täter, nicht den Ansprüchen des Opfers. Dies ist zumindest die Grundeinteilung nach dem deutschen Rechtssystem. Wenn das Opfer Geld für die erlittenen Verletzungen einklagen möchte, hat dies grundsätzlich vor den Zivilgerichten (Amtsgerichte bei Ansprüchen bis 5.000 Euro, Landgerichte bei höheren Ansprüchen) zu erfolgen.
Eine Ausnahme gibt es allerdings. Die Rede ist von dem sogenannten Adhäsionsverfahren. Hört sich kompliziert an, ist es aber gar nicht. Dieses Verfahren sieht schlicht und ergreifend vor, dass das Opfer einer Straftat in dem Strafverfahren gegen den Täter seine Ansprüche mit geltend machen kann, wenn es einen entsprechenden Antrag stellt (§ 404 I StPO). Dann richten sich die Darlegung der Ansprüche und die Ausurteilung aber nach den zivilrechtlichen Anspruchsgrundlagen. Also sozusagen zwei Verfahren in einem: Der Strafrichter hat einerseits Strafrecht anzuwenden, andererseits aber auch Zivilrecht bei der Beurteilung der Ansprüche des Opfers. Und hier liegt auch der Grund dafür, dass die Strafrichter das Stellen dieser Anträge meist gar nicht „mögen“. Sie müssen sich auf einer fremden Spielwiese betätigen, und zwar möglichst noch rechtsmittelfest. Gleichwohl (oder vielleicht gerade deshalb, s.u.) hat der Verfasser dieses Beitrags mit dieser Art der Anspruchsgeltendmachung im Adhäsionsverfahren recht gute Erfahrungen gemacht.
Schauen wir einmal genauer hin. Der erste Vorteil liegt auf der Hand: statt zwei Verfahren führen zu müssen, hat man mit einem einzigen Verfahren sowohl die strafrechtliche, als auch die zivilrechtliche Seite über die Bühne gebracht. Dies sollte man nicht unterschätzen, und zwar insbesondere im Hinblick auf die psychische Belastung für das Opfer. Es kann im Einzelfall schon sinnvoll sein, dem Opfer bzw. Geschädigten eine unnötig hohe Anzahl von Verhandlungstagen zu ersparen. Denn gleich ob im Zivil- oder Strafverfahren, das Opfer muss sich doch mit den Geschehnissen erneut befassen und sie vor dem geistigen Auge „hervorholen“.
Warum nicht diese Belastung auf ein Minimum begrenzen? Und hier setzt nahtlos der zweite Gesichtspunkt an. Wenn nämlich im Strafverfahren eine Einigung über eine dem Opfer zu zahlende Entschädigung erzielt wird, dann ist dies in mehrfacher Hinsicht absolut wünschenswert. Zum einen wird das Opfer zufrieden sein, schnell eine Entschädigung zu erhalten und – ebenso schnell – mit der Sache „abschließen“ zu können. Zum anderen kann diese Erledigung der Sache auch für den Angeklagten Vorteile bringen. Das Gericht kann nämlich sein Bemühen darum, für seine Tat eine angemessene Entschädigung zu leisten, bei der Strafzumessung honorieren. Oder auch die Zahlung der Entschädigung als Bedingung für die Einstellung des Verfahrens gem. § 153a II StPO (Verfahrenseinstellung gegen Auflage) machen. Zwischenergebnis: Das Adhäsionsverfahren stellt in den geschilderten Fällen einen geradezu klassischen Vertreter des „Zwei Fliegen mit einer Klappe“ Prinzips dar.
Ein Wort noch zu den entstehenden Rechtsanwaltsgebühren. In vielen Fällen ist der Rechtsanwalt als Pflichtverteidiger des Beschuldigten beigeordnet. Umstritten ist nun die Frage, ob sich die Bestellung des Rechtsanwalts als Pflichtverteidiger auch auf Tätigkeiten im Adhäsionsverfahren erstreckt. Insofern wird aber inzwischen überwiegend verlangt, dass eine besondere Beiordnung des (Pflicht-) Verteidigers im Adhäsionsverfahren erfolgt, damit die Kosten von der jeweiligen Landeskasse getragen werden (vgl. u.a. OLG Karlsruhe StraFo 2013, S. 84 = StV 2013, S. 690; OLG Düsseldorf StRR 2012, S. 283; LG Osnabrück JurBüro 2013, S. 85; anderer Auffassung: OLG Rostock StraFo 2011, S.378; OLG Schleswig StraFo 2013, S. 305). Für Rechtsanwälte weiterhin interessant: eine 2,0-Verfahrensgebühr nach Nr. 4143 VV RVG fällt an, wenn Nebenkläger und Angeklagter in der Hauptverhandlung einen zivilrechtlichen Vergleich über Ansprüche des Nebenklägers wegen eines durch die Straftat erlittenen Schadens schließen. Ein Förmlicher Antrag gem. § 404 I StPO ist hierfür nicht erforderlich. Dies folgt aus Vorbemerkung 4 VV RVG und bedeutet konkret: auch wenn kein förmliches Adhäsionsverfahren nach § 404 StPO vorausgegangen ist, kann eine (2,0) Verfahrensgebühr nach Nr. 4143 VV RVG sowie eine (1,0) Einigungsgebühr nach Nr. 1003 VV RVG verdient werden, wenn Ansprüche des Nebenklägers im Strafverfahren mit verglichen werden.
Read MoreWenn im Strafverfahren ein Freispruch erfolgt, hat die Landeskasse die Kosten des Rechtsanwaltes (=Verteidigers) des Angeklagten zu erstatten. Schließlich ist der Betroffene zu Unrecht mit einem Strafverfahren überzogen worden, dann soll der Staat auch für die Anwaltskosten gerade stehen müssen. Im Einzelfall kann aber Streit über die Höhe der Kosten entstehen, und zwar wenn der Angeklagten einen Rechtsanwalt beauftragt, der zwar der Anwalt seines Vertrauens ist, der aber nicht am Gerichtsort ansässig ist. Und deshalb erhebliche Fahrtkosten und Abwesenheitsgelder auslöst, diese Posten sind gesetzlich geregelt. Aber der Reihe nach. Zu den von der Staatskasse gem. § 467 I StPO zu erstattenden notwendigen Auslagen im Falle eines Freispruches gehören gem. § 464a II Nr.2 StPO die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts, soweit sie nach § 91 II ZPO, also im Zivilrechtsstreit, zu erstatten sind. Grundsätzlich steht dem Freigesprochenen somit die Erstattung derjenigen Kosten zu, die sein Wahlverteidiger ihm gegenüber geltend machen kann (§ 14 I RVG). Inwieweit Fahrtkosten und Abwesenheitsgelder eines „auswärtigen“, also nicht am Gerichtsort ansässigen, Verteidigers im Falle des Freispruchs des Angeklagten von der Staatskasse erstattet werden müssen, liegt im Einzelfall im Streit. Hierzu gibt es viele Einzelfallentscheidungen, die hier nicht alle erörtert werden können. Im Kern hängt die Erstattungsfähigkeit der Anwaltskosten davon ab, ob die Hinzuziehung eines nicht am Ort des Prozesses wohnenden Verteidigers „notwendig“ war (vgl. u.a. OLG Naumburg, Beschl. v. 22.3.2010 – A.Z.: Ws 379/09). Hier muss also im Einzelnen argumentiert werden, warum es gerade der beauftragte Verteidiger als „Anwalt des Vertrauens“ des Angeklagten sein musste, und nicht ein beliebiger Anwalt vor Ort. Da werden wohl Argumente zu finden sein. Wenn jedoch ein Rechtsanwalt als Pflichtverteidiger bestellt worden ist, sieht es anders aus. Die Auslagen eines solchen als Pflichtverteidiger bestellten Rechtsanwaltes sind immer erstattungsfähig. Denn die Auswahl des Pflichtverteidigers erfolgt durch das Gericht. Und die Prüfung, welcher Verteidiger nach § 142 I S.1 StPO ausgewählt wird, umfasst auch die Frage, ob die Bestellung eines auswärtigen Verteidigers erforderlich ist. Daher sind dann, wenn das Gericht die Bestellung eines auswärtigen Verteidigers als Anwalt des Vertrauens des Angeklagten beschließt, grundsätzlich auch diejenigen Mehrkosten erstattungsfähig, die dadurch entstehen, dass der bestellte Verteidiger seinen Kanzleisitz oder auch seinen Wohnsitz nicht am Ort des Gerichtes hat, bei dem verhandelt wird (BVerfG, Beschl. v. 24.11.2000 – A.Z.: 2 BvR 813/99). Dr. Henning Hartmann, Fachanwalt für Verkehrsrecht und Strafverteidiger in Oranienburg bei Berlin
Read MoreStraftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung – wie die Überschrift des Strafgesetzbuches zu den §§ 174 ff. lautet – also schwerste Verbrechen wie Vergewaltigung oder sexueller Missbrauch, sind Taten, die in der öffentlichen Meinung zu Recht als besonders verabscheuenswürdig gelten.
Gleich wie das Strafverfahren wegen des Vorwurfs einer Sexualstraftat ausgeht, es kommt fast immer zu einer Stigmatisierung der betroffenen Personen, die sozial wie wirtschaftlich ausgegrenzt und nicht selten ruiniert sind – selbst wenn sie freigesprochen werden oder das Verfahren eingestellt wird.
Ermittlungsbehörden und die Justiz geraten in Strafverfahren wegen sexuellen Missbrauchs häufig unter einen nicht zu unterschätzenden Erfolgsdruck. Berichtet dann auch noch die Presse über Verdächtigungen wegen einer Sexualstraftat, so steigt die Erwartung nach harter und unnachsichtiger Bestrafung drastisch.
Ein solches Szenario, also die emotionale Betroffenheit der beteiligten Justiz, aber auch die Stimmung, die durch die Berichterstattung in der Presse entsteht, kann gerade in Verfahren wegen Sexualstraftaten zu erheblichen Fehlerquellen führen. In den Hintergrund geraten dann nicht selten strukturierte, sachgerechte, schlicht professionelle juristische Vorgehensweisen. So haben wir z. B. in einem Strafverfahren verteidigt, indem eine spezialisierte Polizeibeamtin vor Gericht einräumen musste, dass sie die Begriffe „ejakulieren“ und „penetrieren“, die sie in ihrem Vernehmungsprotokoll zu Lasten unseres Mandanten verwendete, nicht auseinanderhalten konnte. Solche schwerwiegenden Fehler frühzeitig zu erkennen und mit den strafprozessualen Mitteln zu korrigieren, ist Aufgabe der Verteidigung.
Als wichtigstes Ziel gilt es aber eine sachliche Verhandlungsatmosphäre zu schaffen, um entgegen aller Betroffenheit und Beklommenheit der Beteiligten eine neutrale und distanzierte Sachbearbeitung zu ermöglichen. Denn Fehlurteile mit denen ein Unschuldiger bestraft wird sind stets die schwersten Justizunfälle mit irreparablen Folgen für die Betroffenen.
Autor: Dr. Andreas Fricke, Rechtsanwalt und Strafverteidiger
Read MoreAuf den Straßen Deutschlands geht es zum Teil ganz schön rund. Viele Autofahrer fühlen sich durch andere Verkehrsteilnehmer und deren Fahrweise derart brüskiert, dass wir fast täglich beobachten können, wie diese aneinander geraten. Das führt dann zu Beschäftigung in der Justiz – und zu mancher Stilblüte. „Parkplatzsau“: Überraschend: wenn man es richtig macht, darf man tatsächlich anderen Leuten mit aller Deutlichkeit und Krassheit die Meinung sagen – ohne eine Geldstrafe wegen Beleidigung zu riskieren. Dies gilt aber nicht für jede Art von Gepöbel, deswegen passen Sie jetzt gut auf. Generell kann folgendes gesagt werden: wer ein kreatives Schimpfwort gebraucht, ist meist fein raus. Folgendes Beispiel zeigt die Grenze sehr gut auf. Während die „Blöde Sau“ als Beleidigung i.S.v. § 185 StGB teuer wird, ist das „Parkplatzschwein“ legitim – genau dieser Kraftausdruck nämlich kann laut einem Gerichtsurteil noch vertretbar sein! Das Amtsgericht Rostock (Az.: 46 C 186/12) jedenfalls hat in einem aktuellen Fall entschieden: Wer unberechtigt auf einem Behindertenparkplatz parkt, darf als „Parkplatzschwein“ bezeichnet werden – denn zum Ausdruck gebracht werde damit keine persönliche Beleidigung durch die negativen Eigenschaften eines Schweins, sondern ein Hinweis auf egoistisches Verhalten. Da muss man erstmal drauf kommen. Mit der Frage nach der Definition von „Parkplatzschwein“ beschäftigte sich das Amtsgericht, nachdem ein Mann das Foto eines auf einem Behindertenparkplatz abgestellten Geldtransporters ins Internet gestellt hatte. Zuvor hatte er auf dessen Windschutzscheibe einen Zettel mit der Aufschrift „Parkplatzschwein“ geheftet. Völlig ok, findet das AG Rostock. Die Beschimpfung „Blödes Schwein“ kann dagegen 500 Euro Strafe kosten. Weitere Beispiele: „Halten Sie den Mund“ kann in Ordnung sein, insbesondere wenn der Angesprochene sich unzulässig eingemischt hat. Das Bezeichnen des den Blitzer bedienenden Polizisten hingegen als „Wegelagerer“ ist hingegen strafbar. Toleranz beim Blitzen: Stichwort Blitzer: Die Geräte sind wohl das am meisten gehasste Objekt im Straßenbild. Kaum etwas kann so schnell für Adrenalin beim Fahrer sorgen. Sofort nach dem „Blitz“ richtet sich der Blick sogleich auf den Tacho, und das Rechnen beginnt. War das Tempo noch innerhalb der Toleranzgrenze? Eine Toleranzgrenze gibt es übrigens auch in zeitlicher Hinsicht, und zwar zugunsten der Autofahrer. Trifft nämlich der Bescheid über zu schnelles Fahren nicht innerhalb von drei Monaten ein, ist er hinfällig. Dies passiert ständig und widerfuhr dem Fahrer eines Betriebsfahrzeuges, das von mehreren Angestellten genutzt wurde. Die Post ging hin und her, die Bußgeldbehörde brauchte lange, um den tatsächlichen Fahrer zu ermitteln und zu informieren. Erst vier Monate nach Tempoverstoß ging der Bescheid ein. Dadurch sei die Ordnungswidrigkeit juristisch bereits verjährt gewesen, entschied das Oberlandesgericht Hamm (3 Ss OWi 860/09). Umfahren der Ampel: Wer eine rote Ampel über ein Tankstellengelände oder einen Parkplatz umfährt, wird normalerweise mit einem Bußgeld sowie Fahrverbot bestraft, denn auch das Umfahren einer Ampel wird als Rotlichtverstoß gewertet. Dieser Vorwurf traf auch einen Dortmunder Autofahrer im vergangenen Jahr – doch der fand eine überraschende Ausnahme im Gesetzestext. Der Fahrer war vor einer roten Ampel auf eine links liegende Tankstelle abgebogen und fuhr von dieser wiederum links auf die kreuzende Straße ab. Laut einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm (Az. 1 RBs 98/13) war das kein Verstoß gegen die Verkehrsordnung. Begründung: Das Rotlicht gelte nur für den „durch die Lichtzeichenanlage geschützten Bereich“, also in diesem Fall nur für geradeaus weiterfahrende Fahrzeuge. Die Richter wiesen jedoch ausdrücklich darauf hin, dass das Umfahren von Ampeln über den Gehsteig, Parkstreifen oder Busspuren nach wie vor ein Verstoß sei. Autor: Dr. Henning Hartmann, Fachanwalt für Verkehrsrecht in Oranienburg bei Berlin, Strafverteidiger
Read MoreNachdem jahrelang gerätselt worden war, wie die neue Flensburger Punktereform denn nun konkret aussieht, ist diese Reform nun relativ geräuschlos zum 1.5.2014 in Kraft getreten. Die Verunsicherung unter den betroffenen Autofahrern ist nach unserer Erfahrung groß. Mit diesem Beitrag soll daher der Versuch unternommen werden, einen kompakten Überblick über die wichtigsten neuen Regelungen zu verschaffen. Vorab eine klare Aussage zu der Frage, für welche Verstöße die neuen Regelungen Anwendung finden, und welche noch nach der alten Rechtslage verfahren wird. Ganz einfach: Entscheidend ist der ZEITPUNKT DER EINTRAGUNG IN FLENSBURG. Nicht der Zeitpunkt des Verstoßes, nicht der Zeitpunkt der Rechtskraft, nein, allein die Eintragung im Flensburger Verkehrszentralregister (das nun übrigens „Fahreignungsregister“ genannt wird) ist maßgeblich. Das bedeutet auch, dass nun nicht mehr taktiert werden kann – wie in der Übergangszeit – und durch Hinauszögern oder schnelles Herbeiführen von Rechtskraft quasi „gewählt“ werden konnte, welche Regeln man für sich angewendet haben möchte. Alles, was ab jetzt passiert, beurteilt sich nach den neuen Regelungen, die am 13.12.2010 verkündet wurden (vgl. BGBl. S. 1980) und die wie gesagt ab 1.5.2014 Wirksamkeit erlangt haben. Weiterhin vorab eine klare Grundaussage zu der künftigen Wertigkeit von Punkten. Auch hier eine ganz einfache Erkenntnis: Punkte werden nun „teurer“ – in dem Sinne, dass Konsequenzen für den Führerschein schneller Drohen. Ganz einfach: war der Führerschein früher erst ab 18 Punkten „weg“, reichen nun ACHT (8) Punkte aus, um der Führerscheinstelle die Entziehung zu ermöglichen. Die Folge ist, dass es nun umso mehr lohnt, gegen einen Punkteeintrag zu kämpfen, hierzu später mehr. Nun zu der Bewertung der Verstöße. Natürlich erfolgt keine Umrechnung „eins zu eins“. Denn sonst wäre wohl ein Großteil der Bevölkerung schlagartig ohne Führerschein unterwegs. Nein, die bisherige Staffelung (bisher: Ordnungswidrigkeiten 1 bis 4 Punkte, Straftaten 5 bis 7 Punkte) wird durch folgende Einteilung ersetzt. Es gibt – 1 Punkt: für normale Ordnungswidrigkeiten – 2 Punkte: für grobe Ordnungswidrigkeiten sowie Straftaten – 3 Punkte: für Straftaten mit Entziehung der Fahrerlaubnis (z.B.: Unfallflucht, Alkohol am Steuer usw.). Was ist nun eine „grobe“, was eine „normale“ Ordnungswidrigkeit? Auch hier eine klare Einteilung: Für die Bewertung der Ordnungswidrigkeiten kommt es allein auf die gesetzgeberische Festlegung in § 4 I BKatV an. Eingetragene Delikte, für die dort ein REGELFAHRVERBOT vorgesehen ist, werden mit zwei Punkten bewertet. Wichtig: wenn in dem Bußgeldverfahren eine Kompensierung des Fahrverbotes, etwa gegen Erhöhung der Geldbuße, erreicht wird, ändert dies nichts an der Punktebewertung. Mit anderen Worten, der Wegfall des Fahrverbotes ändert im Hinblick auf die Flensburg-Punkte nichts daran, dass es um eine „grobe“ Ordnungswidrigkeit ging, die mit zwei Punkten bewertet wird. Bei Straftaten, also der dritten Gruppe, wird es nun richtig interessant. Hier kommt es nämlich, anders als bei der zweiten Gruppe (s.o.) NICHT darauf an, wie der Verstoß im Normalfall zu bewerten ist. Nein, hier wird auf die TATSÄCHLICHE Entziehung der Fahrerlaubnis durch den Amtsrichter abgestellt. In den recht häufigen Fällen, in denen durch eine gute Verteidigung nicht die eigentlich angedrohte Entziehung ausgesprochen wird, sondern „nur“ ein Fahrverbot ausgeurteilt wird, erfolgt im Hinblick auf den Punkteeintrag also ein Wechsel von der dritten in die zweite Gruppe. Entscheidend ist hier, dass man den Unterschied zwischen einer ENTZIEHUNG der Fahrerlaubnis und dem FAHRVERBOT kennt und die Verteidigungsstrategie entsprechend anpasst. Wann werden Punkte nun getilgt? Hier gelten ab dem 1.5.2014 starre Fristen ohne Tilgungshemmung. Das bedeutet, dass nicht – wie früher – ein neuer Eintrag die Tilgung eines alten Eintrages hindert. Ein Hinausschieben der Rechtskraft für den neuen Eintrag, früher ein beliebtes Verteidigungsmittel, bleibt also für die Tilgung des neuen Eintrages ohne Belang. Im Hinblick auf die Führerscheinmaßnahmen und die hier nach wie vor geltende Überliegefrist (hierzu gleich mehr) kann es aber sehr wohl auf ein Hinauszögern der Rechtskraft des neuen Verstoßes ankommen. Hier nun also die konkreten Tilgungsfristen, wobei wieder die drei oben erläuterten Gruppen zur Anwendung kommen: – Ordnungswidrigkeiten mit 1 Punkt: 2,5 Jahre – Ordnungswidrigkeiten und Straftaten mit 2 Punkten: 5 Jahre – Straftaten mit 3 Punkten: 10 Jahre. Nun noch ein wichtiges Detail zum Verständnis. Eine Eintragung, die NACH dem 1.5.2014 erfolgt, führt NICHT zur Tilgungshemmung für ALTE Eintragungen. Eigentlich würde es diese Tilgungshemmung ja nach den „alten“ Spielregeln für diese Eintragung noch geben. Da es nach dem Willen des Gesetzgebers eine solche Tilgungshemmung ab dem 1.5.2014 aber schlicht nicht mehr geben soll, hat er in § 65 III Nr. 2 StVG eine wichtige Ausnahmeregelung geschaffen. Die neue Eintragung hat danach keine tilgungshemmende Wirkung für die alte Tat. Es gelten insofern – zugunsten der Betroffenen – schon die neuen Regeln. Stichwort Überliegefrist. Die Tilgungsfristen beginnen mit der Rechtskraft der Entscheidung. Hier behält die sich anschließende einjährige Überliegefrist, die ja wie gesagt für die Tilgung nunmehr ohne Bedeutung ist, eine erhebliche Relevanz. Die Überliegefrist hat nämlich für die Führerscheinstellen den Zweck, feststellen zu können, ob während der Tilgungsfrist eine oder mehrere weitere Zuwiderhandlungen begangen worden sind, die zu einem Punktestand geführt haben, die zu einer MAßNAHME (z.B. Entziehung der Fahrerlaubnis) geführt hätte. Gelingt es also, den Eintrag der neuen Tat über die Überliegefrist hinaus zu schieben, erfährt die Führerscheinstelle hiervon nichts, und die Maßnahme bleibt aus. Fazit: ab sofort ist es noch wichtiger, sich gezielt und mit den richtigen Mitteln gegen Bußgeldbescheide und strafrechtliche Verurteilungen zu wehren, wenn man seinen Führerschein behalten will. Wichtig und entscheidend ist hierbei das Hintergrundwissen zu dem jeweiligen Punktestand und die zur Verfügung stehenden, rechtlichen Instrumente für das Steuern des Verfahrens. Dies sowohl im Hinblick auf die auszuurteilende Rechtsfolge, als auch den Zeitpunkt der Eintragung in Flensburg. Verfasser: Dr. Henning Hartmann, Fachanwalt für Verkehrsrecht in Oranienburg, bei Berlin, Strafverteidiger
Read MoreUnfall im Straßenverkehr – Wenn es erst einmal zum „Knall“ gekommen ist, stellt sich die Frage nach den Ansprüchen (§§ 249, 253 BGB). Neben dem reinen Unfallschaden am PKW kann der Geschädigte bei der Versicherung des Unfallverursachers für Verletzungen am Körper Schmerzensgeld fordern. Hinsichtlich der Höhe von Schmerzensgeldern gibt es keine gesetzlichen Vorgaben. Es existieren jedoch einschlägige Tabellen mit in ähnlichen Fällen durch deutsche Gerichte zugesprochenen Schadensbeträgen. Sie geben eine Richtschnur bei der Frage, wie viel Schmerzensgeld Sie verlangen können. Grundsätzlich gilt: Dem Schmerzensgeld an sich kommt in rechtlicher Hinsicht eine Art Doppelfunktion zu. Einerseits soll es dem Verletzten für die erlittenen körperlichen, seelischen und geistigen Beeinträchtigungen entschädigen, andererseits soll die sogenannte Genugtuungsfunktion dem Schmerzensgeld etwas von dem Charakter einer Buße verleihen. Der Rechtsanwalt wird dem Betroffenen dahingehend weiterhelfen können, dass er ihm anhand seiner Erfahrung und Kenntnisse hinsichtlich der einschlägigen Schmerzensgeldtabellen schon vorab mitteilt, wie hoch ein etwaiges Schmerzensgeld aufgrund der Verletzungen ausfallen kann. Hier einige Beispiele: Für Schädelfrakturen sind € 32.500,- ausgeurteilt worden (OLG Nürnberg, Urteil 8 U 1741 / 97). Für Schnitt- und Platzwunden kann ein Geschädigter in Einzelfällen bis zu € 5.000,- (Urteil OLG Frankfurt, 15 U 129 / 97), für eine Schädelprellung bis zu € 2.500,- (Urteil OLG Karlsruhe, 10 U 85 / 99) bekommen. Neben dem Schmerzensgeld an sich, kann der Verletzte noch Ersatz für weitere Schäden, die im Zusammenhang mit der Körperverletzung stehen, geltend machen. Hierzu zählen insbesondereHeilungskosten, Verdienstausfall und Erwerbsminderung. Diese Schäden werden jedoch häufig von den eigenen Versicherungen (Krankenkasse, Berufsunfallversicherung etc.) oder vom Arbeitgeber (Lohnfortzahlung) getragen. Der Ersatzanspruch geht in diesen Fällen jedoch auf diese Institutionen über, d.h. nur diese können derartige Schäden gegenüber dem Schädiger geltend machen. Wenn Sie durch einem Verkehrsunfall körperliche Beeinträchtigungen erlitten haben, sollten Sie sofort einen Arzt konsultieren. Der Arzt Ihres Vertrauens wird Sie untersuchen. Er wird dann auch ein entsprechendes Gutachten über Art, Umfang und Schwere der erlittenen Verletzungen erstellen. In diesem Gutachten wird er auch gegebenenfalls Stellung zu eventuellen Dauerschäden nehmen. Mit dem Gutachten kann belegt werden, dass Sie auch die genannten Verletzungen durch den Unfall erlitten haben. Es wird in der Regel notwendig sein, den Arzt von seiner ärztlichen Schweigepflicht zu entbinden, so dass die Versicherung des Unfallgegners gegebenenfalls bei dem Arzt ein weiteres Gutachten einholen kann. Hilft auch dies nicht, kann und muss der Anwalt Klage erheben. Was viele nicht wissen: die gegnerische Haftpflichtversicherung ist zur Übernahme der Kosten für die anwaltliche Vertretung verpflichtet, wenn der Unfallgegner den Unfall verursacht hat (§§ 249; 286 BGB). Eine Verkehrsrechtsschutzversicherung tritt ebenfalls ein. Autor: Dr. Henning Hartmann, Fachanwalt für Verkehrsrecht, Strafverteidiger
Read MoreEs gibt unterschiedliche in Deutschland zugelassene Geschwindigkeitsmessgeräte. Im Wesentlichen sind dies, neben den fest installierten Induktionsschleifen, Lichtschrankenmessgeräte, Lasermessgeräte – und eben Radarmessgeräte. Um diese soll es heute gehen. Es handelt sich insbesondere um zwei Geräte, die in Deutschland zur Geschwindigkeitsmessung mittels Radar eingesetzt werden: Das Multanova 6F und das Traffipax Speedophot.
Häufig gelingt es, die Messung mit diesen Geräten erfolgreich anzugreifen. Denn hier ist einiges von dem Bedienpersonal zu beachten, und bei konkreten Nachfragen des versierten Verteidigers kommen die Messbeamten meist ins Schlingern. Die Folge: Verfahrenseinstellung oder Freispruch.
Zunächst geht es um die korrekte Einhaltung von Fotowinkel und Messwinkel wenn der Messbeamte hier „wackelt“ und die konkreten Zahlen und Bedienvoraussetzungen nicht kennt, wie soll er dann eine verwertbare Messung bewerkstelligen? Weiterhin sind Anforderungen an den Aufbau bei Kurvenmessungen zu stellen. Was aber ist eine Kurve, ab wieviel Meter Krümmungsradius hat eine Messung nach der Gebrauchsanleitung zu unterbleiben? Wie lang muss (exakt, in Metern!) das Geradenstück sein, wenn der Abstand zum Fahrstreifen 2,5, oder 8 Meter beträgt? Ich werde es an dieser Stelle nicht verraten. Nur ein Tipp an die Beamten: es steht auf S. 29 der Gebrauchsanweisung des Multanova-Gerätes.
Nächster Punkt: Bei einer Front- und Heckmessung müssen jeweils ein Beamter im Auto sitzen, insgesamt also zwei. Dies wird oft nicht eingehalten. Die Folge: Freispruch bzw. Verfahrenseinstellung (§ 47 II OWiG). Die Beweislast, also die Bringschuld für die Voraussetzungen einer unangreifbaren Messung, haben nicht Sie als Betroffener, sondern die Ermittlungsbehörde! Wenn die Ermittlungsbehörde (Polizei bzw. Ordnungsämter) den Nachweis nicht bringen kann, müssen Sie freigesprochen werden.
Weiter ist die Möglichkeit von Knickstrahlreflexionen auszuschließen. Was ist eine solche Reflexion und wie kann sie entstehen? Welche Gegenstände können sie verursachen und wie müssen diese positioniert sein? Sie merken, hier gibt es zahlreiche Ansatzpunkte für die Verteidigung.
Heute soll es aber um eine ganz spezielle Voraussetzung gehen, nämlich den sogenannten „aufmerksamen Messbetrieb“. Nach der Bedienungsanleitung des Gerätes Traffipax hat nämlich der Bediener des Messgerätes das Messverhalten des Gerätes aufmerksam zu verfolgen. Insbesondere ist die Beobachtung der Signallampe (ein Teil des Handgerätes) erforderlich. Hierzu gehört die Erkennung von Reflexionsmessungen. Besteht der Verdacht, dass die Messstelle zur Knickstrahlreflexion fähige Reflektoren aufweist, so kann deren Messwirksamkeit durch Beobachtung der Signallampe am Handgerät erkannt werden. Wenn die Signallampe bereits vor dem eigentlichen Messbereich aufleuchtet, was insbesondere bei LKWs auftreten kann), ist der Verdacht auf Knickstrahlreflexion bestätigt. Wenn bei reduzierter Reichweite immer noch Knickstrahlreflexionen auftreten, ist die Messstelle aufzugeben. Und weiter besagt die Bedienungsanleitung: „Messung ohne eine aufmerksame Beobachtung des Messvorganges sind durch den Bediener festzuhalten und bei der späteren Bearbeitung nicht zu berücksichtigen…im Zweifel ist der Messbetrieb zu unterbrechen“.
So weit, so gut. Nun zur Umsetzung dieser Vorgaben in der Praxis. Zum einen werden oft Messserien mit mehreren tausend Fahrzeugen in wenigen Stunden vorgelegt. Wie hier ein aufmerksamer Messbetrieb hinsichtlich jeder einzelnen Messung erfolgen kann? Antwort: Gar nicht.
Aber es geht noch besser. In einem kürzlich geführten Verfahren hat ein Betroffener diese Voraussetzung des „aufmerksamen Messbetriebes“ eindrucksvoll widerlegen können. Folgendes war passiert: Nach dem „Blitz“ ist der betroffene Fahrer umgekehrt, hat sich an den Messwagen des Ordnungsamtes heran geschlichen und hat den Messbeamten des Ordnungsamtes (welches dies war, wird hier taktvoll verschwiegen) selig schlafend am Steuer erblickt – und den schlafenden Beamten fotografiert! Der Freispruch in dem Verfahren war nur noch Formsache und erfolgte unter einigem Gelächter.
Haben Sie Fragen zu Geschwindigkeitsmessungen? Mehr Informationen hierzu finden Sie unter www.onlinerechtsberatung.de
—————————————————————– Radarmessung angreifbar: Aufmerksamer Messbetrieb erforderlich! Es gibt unterschiedliche in Deutschland zugelassene Geschwindigkeitsmessgeräte. Im Wesentlichen sind dies Lichtschrankenmessgeräte, Lasermessgeräte – und eben Radarmessgeräte. Um diese soll es heute gehen. Es handelt sich insbesondere um zwei Geräte, die in Deutschland zur Geschwindigkeitsmessung mittels Radar eingesetzt werden: Das Multanova 6F und das Traffipax Speedophot. Häufig gelingt es, die Messung mit diesen Geräten erfolgreich anzugreifen. Denn hier ist einiges von dem Bedienpersonal zu beachten. Zunächst geht es um die korrekte Einhaltung von Fotowinkel und Messwinkel. Weiterhin sind Anforderungen an den Aufbau bei Kurvenmessungen zu stellen und die Möglichkeit von Knickstrahlreflexionen ist auszuschließen. Hier gibt es zahlreiche Ansatzpunkte für die Verteidigung. Heute soll es aber um eine ganz spezielle Voraussetzung gehen, nämlich den sogenannten „aufmerksamen Messbetrieb“. Nach der Bedienungsanleitung des Gerätes Traffipax hat nämlich der Bediener des Messgerätes das Messverhalten des Gerätes aufmerksam zu verfolgen. In einem kürzlich geführten Verfahren hat ein Betroffener diese Voraussetzung eindrucksvoll widerlegen können. Folgendes war passiert: Nach dem „Blitz“ ist der betroffene Fahrer umgekehrt und hat den Messbeamten des Ordnungsamtes (welches dies war, wird hier taktvoll verschwiegen) selig schlafend am Steuer erblickt – und den schlafenden Beamten fotografiert! Der Freispruch war nur noch Formsache und erfolgte unter einigem Gelächter.
Autor: Dr. Henning Hartmann, Fachanwalt für Verkehrsrecht, Strafverteidiger
Read More– Verteidiger Dr. Hartmann und Dr. Fricke widerlegen Angaben des Opfers –
Ein Aufsehen erregender Strafprozess ist am vergangenen Freitag, den 21.3.14 vor dem Landgericht Berlin in erster Instanz zu Ende gegangen. Aktenzeichen: (517)284 Js 1223/13 KLs (24/13). Die 17. große Strafkammer hatte über einen Fall zu befinden, in dem dem Angeklagten Vergewaltigung, sexuelle Nötigung und gefährliche Körperverletzung vorgeworfen wurde (§§ 177, 224 StGB). Bei dem mutmaßlichen Opfer handelte es sich um eine lesbische Frau, die nach eigenem Bekunden seit zwölf Jahren keinen sexuellen Kontakt zu Männern gehabt hatte.
Bei Prozessauftakt hatte die Berliner Tageszeitung „BZ“ getitelt:
http://www.bz-berlin.de/tatorte/gericht/vergewaltigte-er-eine-lesbische-frau-article1772866.html
Die Tat spielte sich im Umfeld des Berliner Trinkermillieus ab. Treffpunkt der Gruppe war der S-Bahnhof Schönhauser Allee. Hier traf man sich im Sommer des Jahres 2013 fast täglich, und zwar ließ ein Großteil der Gruppe hier die Methadon-Einnahme wirken, die von einer in der Nähe praktizierenden Ärztin regelmäßig an Substituierungs-Patienten verabreicht wird. Die Belastungszeugin nannte dies „das Meta kommen lassen“. Es handelte sich also bei der Mehrzahl der Mitglieder der Gruppe um ehemals Heroin-Abhängige, die nun in hohem Maße und täglich und jeweils ab vormittags Alkohol konsumieren. Getrunken wurde in der Gruppe nach Angaben einer Zeugin ausschließlich Bier und „Hubertus-Tropfen“. So auch am Tattag.
Der Täter, der nicht zu den Methadon-Patienten gehörte, war erstmals an dem Bahnhof und hatte die Gruppe gerade erst näher kennen gelernt. Man kannte sich zuvor nur vom Sehen und vom Hörensagen. So war einer der anwesenden Frauen bekannt, dass es sich bei dem späteren Beschuldigten um einen vorbestraften Sexualstraftäter handelte. Dies entsprach den Tatsachen: Der Mann war im Jahre 2003 (rechtskräftig seit 22.6.2004, LG Berlin, A.Z. (504) 70 Js752/02 KLs (10/03)) unter anderem wegen Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und zwei Monaten verurteilt worden. Die Strafe ist vollständig verbüßt worden.
Der spätere Beschuldigte war, als er am Mittag des 19.6.13 zu der Gruppe stieß, bereits stark angetrunken. Er äußerte nach der Erinnerung einer anwesenden Zeugin gegenüber mehreren weiblichen Mitgliedern der Gruppe, dass er diese „auch alle noch ficken“ werde. Diese Äußerungen und das Wissen um das Vorleben des Angeklagten veranlasste eine der Frauen, den anderen weiblichen Anwesenden eine Warnung zukommen zu lassen. Diese sollten sich nicht zu nahe mit dem Angeklagten einzulassen, da es sich um einen vorbestraften Sexualstraftäter handele. Die Androhungen seien daher ernst zu nehmen.
Dies hinderte das spätere Opfer, eine lesbische Frau, jedoch nicht, sich mit dem Täter per S-Bahn zu dessen Wohnung am Treptower Park zu begeben. Dort wollte man weiter trinken. „Alle halten mich doch für einen Mann“ erklärte die große, maskulin wirkende Frau ihre Arglosigkeit. Bei ihrer Zeugenvernehmung im Prozess beschrieb die Zeugin sodann den weiteren Verlauf. In der Wohnung sei der zunächst sehr freundliche, menschliche Angeklagte plötzlich völlig verändert aufgetreten. Es sei zu der Tat gekommen, nachdem der Täter sein Opfer geschlagen, gewürgt und mit dem Tod bedroht habe, wenn es nicht aufhöre zu schreien. In einer „Raucherpause“ sei dem Opfer dann die Flucht aus der Wohnung gelungen, wobei es komplett nackt auf die Straße lief. Zufällig anwesende Nachbarn versorgten die Frau zunächst mit Bekleidung und riefen die Polizei. Diese konnte den Tatverdächtigen festnehmen, als dieser sich gerade aus einem Fenster schwang und zu flüchten versuchte.
Zum Prozessauftakt wurde zunächst neben dem bereits beigeordneten Rechtsanwalt Dr. Henning Hartmann noch dessen Kollege und Partner, Rechtsanwalt Dr. Andreas Fricke (ebenfalls aus der Kanzlei Dr. Hartmann & Partner) als Pflichtverteidiger beigeordnet. Dies u.a. wegen der großen Bedeutung, die der Prozess für alle Beteiligten hatte. Im Vorfeld hatte unter anderem die Berliner Zeitung „B.Z.“ in der unten abgebildeten Form getitelt und so den Eindruck erweckt, eine Verurteilung wegen Vergewaltigung sei nur noch Formsache. Doch dann kam alles ganz anders.
Nachdem zu Anfang noch die Anordnung von Sicherungsverwahrung (§ 64 StGB) im Raume stand (also de facto eine lebenslange Haftstrafe), wurde der Angeklagte am Ende in den wichtigsten Punkten freigesprochen. Aber der Reihe nach.
Über 16 Prozesstage hinweg wurden insgesamt 23 Zeugen und fünf Sachverständige gehört, um zunächst einmal den Sachverhalt aufzuklären. Hierbei fiel zunächst auf, dass die Hauptzeugin, das mutmaßliche Vergewaltigungsopfer, an ganz wesentlichen Punkten Aussagen tätigte, die schlicht nicht stimmen konnten. Die Widersprüche zwischen dem, was die Belastungszeugin in ihrer Vernehmung nach der Tat äußerte und dem, was sie im Prozess erklärte bzw. was die Beweiserhebung ergab, waren frappierend. Hier eine kleine Auswahl der aufgetretenen Widersprüche:
– „Er wollte mich vergewaltigen“ habe die Frau nach ihrer Flucht nach Aussage mehrerer Zeugen lauthals gerufen. Später korrigierte sie ihre Einlassung dahin, dass die Vergewaltigung komplett vollzogen worden sei. Zwischenzeitlich verwendete sie auch die Formulierung „ich werde vergewaltigt“, und im Krankenhaus hat die Zeugin nach Aussage der behandelnden Ärztin gar nicht mehr von Vergewaltigung gesprochen, sondern geäußert: „der hat mich angefasst“. Insgesamt gab es also VIER unterschiedliche, von der Belastungszeugin geschilderte Versionen dazu, was denn nun in der Wohnung geschehen sei.
– Stichwort Vollzug: Nachdem die Frau zunächst mehrfach bei der Polizei beschrieben hatte, dass der Angeklagte „auf mir drauf gelegen hat und seinen Penis in mich hinein gedrückt“ habe, war hiervon im Prozess keine Rede mehr. Sie habe die ganze Zeit auf ihm sitzen müssen. Hierzu habe sie der Mann mit Worten und durch Festhalten gezwungen. Sie selbst habe sich nie in Rückanlage befunden.
– Der Angeklagte habe auch versucht, sie anal zu vergewaltigen, sagte die Zeugin bei der Polizei aus. Später im Prozess rückte sie hiervon ab. Es sei lediglich zu einer vaginalen, nicht aber analen Penetration gekommen.
– Bis hin zu Details wie dem Krankenhaus, in das die Zeugin nach dem Tatgeschehen gebracht wurde, gehen die Widersprüche. Die Zeugin war sich sicher, direkt in die Charité gebracht worden zu sein. Aktenkundig und nachweisbar ist aber, dass zunächst das Urbankrankenhaus in Kreuzberg angesteuert wurde.
– Und die Unwahrheiten in der Aussage der Belastungszeugin gehen weiter. Sie sei von der ehemaligen Lebensgefährtin des Angeklagten nach der Tat angerufen worden und diese habe das Gespräch eingeleitet mit den Worten „ich habe das auch mit dem durch, mich hat er auch vergewaltigt“.
Sodann wurde eben diese ehemalige Lebensgefährtin gehört. Und es kam zum nächsten Paukenschlag: kein Wort von dem sei wahr, bekundete die Ex des Angeklagten. Das Telefonat habe es zwar gegeben. Niemals habe sie aber behauptet, von dem Angeklagten vergewaltigt oder in irgendeiner Form sexuell genötigt worden zu sein. Der Angeklagte sei niemals grob zu ihm gewesen. Im Gegenteil, sie, die Zeugin, habe den Angeklagten oftmals „in ihr Bett zerren“ wollen, weil er nicht sehr oft Lust auf Sex gehabt habe, erschöpft von der Arbeit gewesen sei. Das Sexualleben sei ansonsten völlig normal gewesen. Die gepflegt wirkende, glaubhaft erscheinende Frau zeichnete ein völlig anderes Bild von dem Angeklagten. Betroffenheit im Saal.
– Kein Kontakt zu anderen Männern? Auch diese Behauptung der Belastungszeugin erwies sich als unwahr. Sie hatte steif und fest behauptet, seit über zehn Jahren keinen sexuellen Kontakt mit einem Mann gehabt zu haben. Die Lebensgefährtin der Belastungszeugin berichtete dann aber freimütig darüber, dass es da sehr wohl eine Affaire mit einem anderen Mann gegeben habe, und zwar vor etwa drei Jahren.
Und hier schlichen sich auch bei dem Gericht erste Zweifel ein, ob denn die Tatschilderung des Opfers so stimmen kann. Das Gericht folgte der Argumentation der Verteidigung und zog auch in Erwägung, ob denn die lesbische Belastungszeugin möglicherweise deswegen das Ganze als Vergewaltigung bezeichnet hat, weil ihr so die Beichte eines sexuellen Kontakts zu einem Mann gegenüber ihrer Lebensgefährtin leichter fällt. Denn einen solchen Kontakt und eine solche Beichte hatte es ja vor nicht allzu langer Zeit schon einmal gegeben.
Respekt ist daher dem Gericht (der 17. großen Strafkammer des LG Berlin) zu zollen, das den Grundsatz „im Zweifel für den Angeklagten“ an dieser Stelle ordnungsgemäß umsetzte.
Insgesamt wurde von Verhandlungstag zu Verhandlungstag deutlicher, dass die – methadonsubstituierte und seit Jahrzehnten vollständig von Sozialleistungen lebende – Belastungszeugin buchstäblich jede Gelegenheit nutzte, sich in die Rolle des Opfers zu flüchten. Und einen Grund zu haben, Ansprüche stellen oder Vorwürfe gegen andere erheben zu können. Sie forderte nämlich auch € 8.000,- Schmerzensgeld von dem Angeklagten.
Wie sich diese Widersprüche und Ungereimtheiten auf den Prozessverlauf ausgewirkt haben? Zunächst wurde um Einiges gründlicher bei sämtlichen zur Verfügung stehenden Zeugen nachgefragt, ob das geschilderte Vergewaltigungsgeschehen der Wahrheit entsprechen kann. Hierbei wurde deutlich, dass zwar eine konfuse Wahrnehmung bei der Zeugin bestand, letztlich aber der Vollzug des Beischlafs – in welcher Form auch immer – als erwiesen gelten muss. Diese Mängel bei der „Aussagekonstanz“ führten aber dazu, dass nach Ansicht des Gerichtes nicht ausgeschlossen werden konnte, dass der sexuelle Kontakt freiwillig war. Die Folge: es blieb nur eine (einfache) Körperverletzung und eine Nötigung übrig, die mit einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten geahndet wurde. Es bleibt nun mit Spannung abzuwarten, ob die Entscheidung rechtkräftig wird. Am Freitag, 28.3.14 läuft die Frist für die Einlegung der Revision ab.
Aktenzeichen des Landgerichts Berlin: (517) 284 Js 1223/13 KLs (24/13)
„Das Urteil ist inzwischen rechtskräftig, da sowohl Staatsanwaltschaft, als auch Verteidigung ihre vorsorglich eingelegte (und im Falle der Verteidigung auch begründete) Revision zurückgenommen haben.“
Autor: Dr. Henning Karl Hartmann, Fachanwalt für Strafrecht, Fachanwalt für Verkehrsrecht
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(Oranienburg) Heute soll es wieder um das Thema Alkohol im Straßenverkehr gehen. Fast täglich sorgt dieser „Dauerbrenner“ für juristische Probleme und Fragen bei den betroffenen Bürgern. Vorab einige grundsätzliche Eintstufungen. Egal, ob vorsätzlich oder fahrlässig: Wer am Straßenverkehr mit einem Kraftfahrzeug teilnimmt und eine Blutalkoholkonzentration von 1,1 Promille oder höher hat, fällt unter § 316 StGB und wird bestraft. Bei einer Blutalkoholkonzentration von 0,3–1,09 Promille werden Sie bestraft, wenn zu der Alkoholisierung ein alkoholtypisches Fehlverhalten kommt. Ab 0,5 Promille handeln Sie ordnungswidrig (§ 24a StVG). Auch wenn Sie alkoholisiert Rad fahren, können Konsequenzen drohen. Wichtig ist, dass durch den Rechtsanwalt als Verteidiger die richtigen Schritte eingeleitet werden. Kurzum: immer, wenn Alkohol im Spiel ist, wird es gefährlich. Es droht stets ein Fahrverbot und der Entzug der Fahrerlaubnis. Aufgrund des ständigen Alkoholabbaus im Blut muss die Blutalkoholkonzentration bei einer späteren Blutprobe bis zur Tatzeit zurück gerechnet werden. Hier liegt ein Ansatzpunkt für den Verteidiger. Der Verteidiger hat noch andere Aspekte zu überprüfen. Zum Beispiel kann von Bedeutung sein, ob die Entnahme der Blutprobe ordnungsgemäß erfolgte und das Beweismittel daher verwertbar ist.Wenn z.B. die Polizeibeamten Fehler bei der Einholung der richterlichen Anordnung gemacht haben, kann dies zu einem Freispruch führen (§ 81a StPO). Die Möglichkeiten des Rechtsanwaltes sind im Verkehrsrecht vielfältig. Mit gezielten Beweisanträgen kann versucht werden, einen Freispruch oder eine Verfahrenseinstellung herbei zu führen. Bei Alkoholdelikten ist die Verteidigung durch einen Fachanwalt für Verkehrsrecht besonders wichtig. Wenn der strafrechtliche Vorwurf im Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall erhoben wird, hat die Verteidigung erhebliche Auswirkungen auf Fragen der Haftung aus dem Verkehrsunfall sowie auf versicherungsrechtliche Folgen. Es droht immer ein Regress der eigenen Haftpflichtversicherung gegen den Fahrer. Darüber hinaus müssen verwaltungsrechtliche Fragen im Zusammenhang mit dem Führerschein berücksichtigt werden. Stichwort: MPU. Oft entscheidet sich der Ausgang dieser Folgeprobleme mit den ersten Schritten der Verteidigung gegen den strafrechtlichen Vorwurf. Hier müssen also von dem Rechtsanwalt die richtigen Weichenstellungen vorgenommen werden. Autor: Dr. Henning Karl Hartmann, Fachanwalt für Verkehrsrecht in Oranienburg, bei Berlin, Strafverteidiger
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