Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung – wie die Überschrift des Strafgesetzbuches zu den §§ 174 ff. lautet – also schwerste Verbrechen wie Vergewaltigung oder sexueller Missbrauch, sind Taten, die in der öffentlichen Meinung zu Recht als besonders verabscheuenswürdig gelten.
Gleich wie das Strafverfahren wegen des Vorwurfs einer Sexualstraftat ausgeht, es kommt fast immer zu einer Stigmatisierung der betroffenen Personen, die sozial wie wirtschaftlich ausgegrenzt und nicht selten ruiniert sind – selbst wenn sie freigesprochen werden oder das Verfahren eingestellt wird.
Ermittlungsbehörden und die Justiz geraten in Strafverfahren wegen sexuellen Missbrauchs häufig unter einen nicht zu unterschätzenden Erfolgsdruck. Berichtet dann auch noch die Presse über Verdächtigungen wegen einer Sexualstraftat, so steigt die Erwartung nach harter und unnachsichtiger Bestrafung drastisch.
Ein solches Szenario, also die emotionale Betroffenheit der beteiligten Justiz, aber auch die Stimmung, die durch die Berichterstattung in der Presse entsteht, kann gerade in Verfahren wegen Sexualstraftaten zu erheblichen Fehlerquellen führen. In den Hintergrund geraten dann nicht selten strukturierte, sachgerechte, schlicht professionelle juristische Vorgehensweisen. So haben wir z. B. in einem Strafverfahren verteidigt, indem eine spezialisierte Polizeibeamtin vor Gericht einräumen musste, dass sie die Begriffe „ejakulieren“ und „penetrieren“, die sie in ihrem Vernehmungsprotokoll zu Lasten unseres Mandanten verwendete, nicht auseinanderhalten konnte. Solche schwerwiegenden Fehler frühzeitig zu erkennen und mit den strafprozessualen Mitteln zu korrigieren, ist Aufgabe der Verteidigung.
Als wichtigstes Ziel gilt es aber eine sachliche Verhandlungsatmosphäre zu schaffen, um entgegen aller Betroffenheit und Beklommenheit der Beteiligten eine neutrale und distanzierte Sachbearbeitung zu ermöglichen. Denn Fehlurteile mit denen ein Unschuldiger bestraft wird sind stets die schwersten Justizunfälle mit irreparablen Folgen für die Betroffenen.
Autor: Dr. Andreas Fricke, Rechtsanwalt und Strafverteidiger
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