(Oranienburg) Nach der überwiegenden Auffassung in der Rechtsprechung rechtfertigt bereits der einmalige Konsum von Amphetaminen den Rückschluss auf die Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen, da es sich um sogenannte harte Drogen handelt. Die Folge ist die Entziehung der Fahrerlaubnis durch die Verwaltungsbehörde, genauer gesagt die Führerscheinstelle (auch genannt Fahrerlaubnisbehörde). Schauen wir einmal genau hin, was bei einer Fahrt unter Drogeneinfluss im Hinblick auf den Führerschein alles passieren kann und welche Handlungsmöglichkeiten es für den Betroffenen gibt.
Rechtsgrundlage für die Entziehung des Führerscheins ist § 3 I S.1 StVG i.V.m. § 46 I S.1 Fahrerlaubnisverordnung (FeV). Die Entziehung der Fahrerlaubnis ist streng zu trennen von den Rechtsfolgen des Strafverfahrens, worauf später noch einzugehen sein wird. Das Strafgericht entzieht zwar ggf. auch die Fahrerlaubnis und ordnet eine Sperrfrist an. Anknüpfungspunkt für die Fahrerlaubnisbehörde ist hingegen die grundsätzliche „Ungeeignetheit“ für das Führen von Kfz, losgelöst von der Strafe für den auslösenden Vorfall. Meist schließt sich daher das behördliche Entziehungsverfahren an das Straf- oder Bußgeldverfahren an.
Zurück also zum behördlichen Entziehungsverfahren. Grundlage für die Annahme von „Ungeeignetheit“ ist hier die Regelung in Ziffer 9.1 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnisverordnung. Selbst wenn der Betroffene geltend machen kann, dass es sich bei dem Drogenkonsum um einen nur einmaligen Vorfall gehandelt hat, ist die Annahme von Ungeeignetheit im Sinne der genannten Vorschrift gerechtfertigt. Dies gelte umso mehr bei einem Mischkonsum von Cannabis und Amphetaminen, entschied das Verwaltungsgericht des Saarlandes in einer Entscheidung vom 21.8.13 (A.Z.: 10 L 929/13). Zuvor war die Berechtigung des Entzugs der Fahrerlaubnis bei Konsum von Amphetaminen bereits durch mehrere Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes (u.a. Beschluss vom 29.5.09, A.Z. 1 A 31/09 und Beschluss vom 26.6.09, A.Z. 1 B 373/09) postuliert worden.
Der Verordnungsgeber stelle in der genannten Vorschrift der Fahrerlaubnisverordnung im Hinblick auf harte Drogen gerade nicht auf die Häufigkeit des Konsums ab, sondern allein auf die Einnahme als solche. Hier besteht ein grundlegender Unterschied zum Konsum von Cannabis. Dadurch, dass allein von der „Einnahme“ der Droge Amphetamin die Rede ist, kommt nach Auffassung des Gerichtes eine Strenge zum Ausdruck, die in der besonderen Gefährlichkeit der Einnahme der Droge für den Straßenverkehr begründet ist. Eine Drogenabhängigkeit, ein regelmäßiger Konsum oder auch nur ein gelegentlicher Konsum muss nicht nachgewiesen werden, um die Fahrerlaubnis entziehen zu können. Es kommt auch nicht auf die Höhe der festgestellten Konzentration oder darauf an, ob die Fahrfähigkeit des Betroffenen beeinträchtigt war.
Allerdings ist die Annahme von Ungeeignetheit nach §§ 3 I S.1 StVG, 46 I FeV i.V.m. Ziffer 9.1 der Anlage 4 zur FeV lediglich der Regelfall. Wenn im Einzelfall Umstände dargelegt werden können, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung keine Ungeeignetheit mehr vorliegt, kann die Entziehung rechtswidrig sein. Hier wird es nun interessant. NICHT die Ungeeignetheit hindernd ist nach Auffassung der Gerichte z.B. die Tatsache, dass das Strafverfahren eingestellt wurde, etwa weil bei dem auslösenden Verstoß keine Fahruntüchtigkeit festgestellt wurde (und daher nicht wegen § 316 StGB, sondern lediglich wegen § 24a StVG – einer Ordnungswidrigkeit! – verurteilt wurde). Auch wenn der Betroffene einen Laborbefund vorlegt, aus dem sich ergibt, dass bei ihm derzeit keine Drogenbefunde zu verzeichnen sind, reicht dies nach Auffassung der Gerichte nicht aus. Aus Sicht der Gerichte und Fahrerlaubnisbehörden gewinnt man nicht schon deswegen die Fahreignung zurück, wenn man einfach nur Abstand vom Konsum nimmt. ERFORDERLICH ist vielmehr die Darlegung eines „Einstellungswandels“. Hier sei die in Ziffer 9.5 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnisverordnung zum Ausdruck kommende Wertung von Belang, wonach bei Entwöhnung von einer Droge in der Regel erst nach einjähriger Abstinenz wieder eine Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen angenommen werden kann.
Wie bereits oben angesprochen, schließt sich das behördliche Entziehungsverfahren regelmäßig an das Straf- oder Bußgeldverfahren an. Daher nun einige wichtige Hinweise aus der Praxis. Das Hintereinander von Strafverfahren und behördlicher Entziehung bedeutet, dass der zuvor angesprochene Abstinenznachweis (nochmal: für das behördliche Entziehungsverfahren) schon lange vor Abschluss des Strafverfahrens begonnen werden kann, meist schon direkt nach der Tat. Erfolgt dies nicht, droht der Verlust wertvoller Zeit. Denn das behördliche Entziehungsverfahren folgt als „Dickes Ende“, nachdem der Betroffene irrtümlich davon ausgegangen war, mit dem Straf- oder Bußgeldverfahren alles glimpflich überstanden zu haben. (Der Klassiker ist hierbei die Bestrafung nach § 316 StGB bei einer Fahrt mit dem Fahrrad oder die bereits erwähnte Verhängung eines Bußgeldes nach § 24a StVG.)
Weiter wird von vielen Betroffenen diese Hintereinanderschaltung von Strafverfahren und behördlichem Entziehungsverfahren als „Doppelbestrafung“ empfunden. Es ist dem Bürger nur schwer zu vermitteln, dass sich das Strafverfahren auf die Sanktionierung der Tat richtet, während die behördliche Entscheidung die Verkehrssicherheit, also die Belange der anderen Verkehrsteilnehmer zum maßgeblichen Kriterium erhebt. Es fragt sich daher auch, ob der Gesetzgeber hier nicht über das Ziel hinaus geschossen hat. Derzeit kommt die strenge deutsche Regelung jedenfalls auf die Gerichte zurück wie ein Bumerang: nämlich in Form des EU-Führerscheins, landläufig auch genannt Führerschein aus Polen. Um einen solchen Führerschein zu erwerben, braucht man keine MPU zu bestehen. Man muss keine Fahreignung im Sinne der Deutschen Fahrerlaubnisverordnung nachweisen. Und da der Europäische Gerichtshof nunmehr mehrfach entschieden hat, dass dem Inhaber eines solchen Führerscheins das Fahren in Deutschland unter bestimmten Voraussetzungen nicht verboten werden kann, weichen immer mehr Autofahrer, denen in Deutschland die Fahrerlaubnis entzogen wurde, auf den Führerschein in Polen aus. Ob dies im Sinne des Erfinders (Gesetzgebers) war?
Dr. Henning Karl Hartmann, Fachanwalt für Verkehrsrecht in Oranienburg, bei Berlin
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