Rechts-Journal – Seite 2 von 12 – Onlinerechtsberatung

Bußgeldbescheid: Man kann sich wehren!

Immer wieder werde ich gefragt, wie denn nun das weitere Verfahren bei Gericht ist, wenn man gegen einen Bußgeldbescheid Einspruch eingelegt hat. Um es noch einmal ganz deutlich zu sagen: in dem Einspruchsverfahren kann nur zu ihren Gunsten von der Rechtsfolge, die in dem Bußgeldbescheid niedergelegt wurde, abgewichen werden. Wenn sich in dem Verfahren herausstellt, dass keine Aussicht auf Erfolg besteht, kann der Einspruch jederzeit zurückgenommen werden. Dann verbleibt es bei dem Bußgeldbescheid. Mit anderen Worten: Sie können nur gewinnen.
Dies bedeutet, dass das Verfahren vor dem Amtsgericht etwas ist, worauf der Betroffene Anspruch hat. Es ist nicht etwa so, dass man ihnen dort etwas „Böses“ will. Es besteht ein Anspruch darauf, dass der Bußgeldbescheid auf seine Richtigkeit überprüft wird (fehlerfreies Messverfahren, Fahreridentität usw.).
Ich schreibe dies, weil bei den Betroffenen immer noch eine große Scheu davor besteht, das amtsgerichtliche Verfahren zu betreiben. Dies ist einerseits verständlich, andererseits aber – aus den oben genannten Gründen – gänzlich falsch.
Übrigens: in den meisten Fällen müssen Sie zur Verhandlung vor dem Amtsgericht gar nicht selber erscheinen. Wenn es nicht um die Person des Fahrers geht, der zum Tatzeitpunkt am Steuer gesessen hat, können Sie von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen befreit werden. Ihr Rechtsanwalt (der heißt dann Verteidiger) nimmt den Termin wahr und berichtet anschließend davon, ob zu ihren Gunsten etwas erreicht werden konnte.
Haben Sie Fragen hierzu? Dann schreiben Sie uns auch.

Dr. Henning Hartmann

Fachanwalt für Strafrecht
Fachanwalt für Verkehrsrecht

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Kein Täter zu ermitteln

Endgültige Rückgabe des Verfahrens an die Verwaltungsbehörde

Wenn man als Autofahrer beispielsweise geblitzt worden ist, stellt sich die Frage, ab welchem Zeitpunkt man wieder ruhig schlafen kann, also der Eingang eines Bußgeldbescheides nicht mehr befürchtet werden muss.

Hier ist zunächst von Bedeutung, dass die Verjährungsfrist bei Verkehrsordnungswidrigkeiten vor Erlass eines Bußgeldbescheides 3 Monate beträgt. Wenn Sie als Betroffener somit binnen 3 Monaten nach dem „Blitz“ keine Post erhalten haben, ist die Sache verjährt. Im weiteren Verlauf des Verfahrens (also wenn ein Bußgeldbescheid ergangen ist) beträgt die Frist 6 Monate. Sie kann dann durch diverse Handlungen von Behörden und Gerichten immer wieder unterbrochen werden.

Daneben ist es aber so, dass die Verwaltungsbehörde den Sachverhalt ausreichend aufklären muss, bevor sie ihn an das Amtsgericht abgibt. Wenn eine solche Sachaufklärung noch nicht ausreichend geschehen ist, kann das Gericht zum Zwecke der weiteren Sachaufklärung die Akte an die Verwaltungsbehörde zurückgeben. Dies ist in § 69 Abs. 5 Satz 1 Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) geregelt.

In einem durch das Amtsgericht Minden am 4.3.2016 entschiedenen Verfahren (Aktenzeichen 15 OWI – 502J es 3652/15 – 154/16) hatte die Verwaltungsbehörde einen Bußgeldbescheid erlassen, gegen den der Betroffene rechtzeitig Einspruch eingelegt hat. Das Amtsgericht hat unter dem 9.11.2015 die Akten mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft wegen offensichtlich ungenügender Sachaufklärung an die Verwaltungsbehörde zur weiteren Sachaufklärung zurückverwiesen. Die Verwaltungsbehörde hat eine weitere Sachaufklärung durchgeführt und die Akten erneut dem Amtsgericht zur Durchführung legt. Eine erneute Prüfung hat sodann jedoch ergeben, dass auch nach diesen weiteren Ermittlungen ein hinreichender Tatverdacht nicht bestehen. Deshalb war das Verfahren gemäß § 69 Abs. 5 Satz 2 Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) endgültig an die Verwaltungsbehörde zurückzugeben.

Dies aus folgendem Grund. In der erstmaligen Zurückverweisung gemäß § 69 Abs. 5 Satz 1 Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) wurde bereits darauf hingewiesen, dass eine Fahrer Identifizierung nach Aktenlage nicht möglich ist. Selbst wenn der Halter des Fahrzeuges und Vater des Betroffenen nach erforderlicher Belehrung gemäß § 52 StPO (zusätzlicher qualifizierter Belehrung) die Nichtverwertbarkeit seiner Angaben im Rahmen der durchgeführten reformatorischen Befragung in der Tat nach seinen Angaben sodann wiederholen würde, kann hieraus nach Auffassung des Amtsgerichts eine sichere Fahrerfeststellung nicht getroffen werden. Es war vorliegend nicht auszuschließen, dass eine unbekannte dritte Person der Fahrzeugführer war. Ein Abgleich durch den ermittelnden Polizeibeamten war zum Zeitpunkt der ersten Zurückverweisung nicht erfolgt. Der Betroffene berief sich sodann auf sein Schweigerecht.

Die Verwaltungsbehörde hatte nunmehr ein Lichtbild vom Einwohnermeldeamt, auf dem der Betroffene abgebildet sein soll, vorgelegt. Eine Identifizierung war aufgrund dieses Lichtbild ebenfalls nicht möglich, da es wenig aussagekräftig war. Zudem wurden die eingesetzten Polizeibeamten erneut zur schriftlichen Stellungnahme aufgefordert. Es verblieb bei den Bedenken in Bezug auf die Verwertbarkeit des Lichtbildes. Sodann hat das Gericht das Verfahren gemäß § 69 Abs. 5 Satz 2 Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) endgültig an die Verwaltungsbehörde zurückgegeben.

Die Angelegenheit war damit für den Betroffenen erledigt. Man sieht auch in dieser Entscheidung, dass eine hinreichende Ermittlungstätigkeit durch die Behörde Voraussetzung für die Durchführung eines gerichtlichen Verfahrens ist. Sofern die Behörde ihre Ermittlungspflicht nicht nachkommt, ist das Verfahren dann eben nicht geeignet, Grundlage für eine Verurteilung des Betroffenen zu sein. Die Konstellation ist somit vergleichbar mit dem Eintritt von Verjährung.

Wichtig ist in jedem Falle eine frühzeitige, wohl überlegte Verteididung. Lassen Sie in keinem Falle Bußgeldbescheide oder Strafbefehle ohne Prüfung gegen Sie rechtskräftig werden!

Dr. Henning Hartmann

Fachanwalt für Strafrecht
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Wann ist ein Verkehrsschild gültig?

Bei der Frage eines Verstoßes gegen ein Ge- oder Verbot, das auf einem Verkehrsschild angeordnet worden ist stellt sich häufig die Frage, ob dieses Verkehrsschild überhaupt Wirksamkeit entfaltet hat. Hierbei wird von Betroffenen in vielen Fällen geltend gemacht, dass das Verkehrsschild nicht ohne weiteres sichtbar war. Der Betroffene nimmt dann für sich in Anspruch, dass das Verkehrsschild – mangels Sichtbarkeit – keine Gültigkeit hatte.

Sichtbarkeit gegeben oder nicht gegeben

Das Bundesverwaltungsgericht hat 6.4.2016 (Aktenzeichen 3 C 10/15) ein klarstellendes Urteil dazu gefällt, wann Autofahrer sich nach einem Schild richten müssen, und wann dies aufgrund fehlender Wahrnehmbarkeit nicht der Fall ist.

Folgendes war passiert. Der betroffene Autofahrer (hier: der Kläger) wandte sich gegen die Auferlegung einer Gebühr für die Umsetzung seines Fahrzeuges. Er hatte dieses Fahrzeug im September 2010 in Berlin in einem Straßenabschnitt geparkt, auf dem wegen eines am nächsten Tag stattfindenden Straßenfestes durch vorübergehend angebrachte Verkehrszeichen ein absolutes Halteverbot ausgeschildert war. Ein solches absolutes Halteverbot wird juristisch als „Zeichen 283“ bezeichnet.

Die Stadt Berlin veranlasste das Abschleppen dieses Fahrzeugs durch ein Unternehmen und stellte dem betroffenen Autofahrer eine Umsetzgebühr in Höhe von 125 Euro in Rechnung. Maßgebliches Argument des Betroffenen/Klägers hiergegen: die Verkehrszeichen seien nicht mit einem raschen und beiläufigen Blick erkennbar gewesen. Daher seien die Halteverbote nicht wirksam bekannt gemacht worden. Nachdem das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg die Klage abgewiesen hatte, weil es dem Kläger zugemutet hatte, auch ohne Anlass eine Nachschau durchführen zu müssen und dabei offen gelassen hat, in welcher Höhe und welcher Ausrichtung das Halteverbot Zeichen angebracht war, hat das Bundesverwaltungsgericht dieses Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zurückverwiesen an das OVG Berlin-Brandenburg.

Das Bundesverwaltungsgericht hat hierbei folgende Ausführungen zur Begründung gemacht. Verkehrszeichen für den ruhenden Verkehr äußern ihre Rechtswirkung gegenüber jedem von der Regelung betroffenen Verkehrsteilnehmer grundsätzlich ohne Rücksicht darauf, ob er das Verkehrszeichen tatsächlich wahrnimmt oder nicht. Allerdings müssen Sie dafür so aufgestellt oder angebracht sein, dass ein durchschnittlicher Kraftfahrer bei Einhaltung der erforderlichen Sorgfaltspflicht (§ 1 StVO) und ungestörten Sichtverhältnisse während der Fahrt oder durch einfache Umschau beim Aussteigen ohne weiteres erkennen kann dass ein Gebot oder Verbot durch Verkehrszeichen verlautbart wurde.

Was sich hier etwas verklausuliert anhört, ist durchaus nachvollziehbar und vernünftig im Hinblick darauf, was einem Autofahrer noch zugemutet werden kann, und was nicht. Das Bundesverwaltungsgericht hat nämlich hierbei klargestellt, dass der Kraftfahrer zu einer „Nachschau“, also zu einem genaueren hinsehen, nur verpflichtet ist, wenn hierfür nach den Umständen des Einzelfalls ein Anlass gegeben ist.

Hierbei ist Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für die Umsetzung eines Fahrzeuges und eine daran anknüpfende Gebührenerhebung, dass der Betroffene beim abstellen des Fahrzeugs gegen ein behördlich angeordnetes und durch Verkehrszeichen wirksam bekannt gemachtes Halteverbot verstoßen hat. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass an die Sichtbarkeit von Verkehrszeichen im ruhenden Verkehr niedrigere Anforderungen zu stellen sind als an solche, die den fließenden Verkehr betreffen. Soweit dann aber darüber hinaus von einem Gericht dem Autofahrer zugemutet wird, dass im ruhenden Verkehr auch ohne jeden Anlass eine Nachschaupflicht nach dem Vorhandensein von Halteverbot Zeichen besteht, erteilt das Bundesverwaltungsgericht dem Berufungsgericht eine Absage: dies steht nicht im Einklang mit Bundesrecht. Entscheidend ist, dass die Wirksamkeit des Verkehrsschildes nun einmal nur entsteht, wenn dieses so aufgestellt bzw. angebracht ist, dass ohne weiteres erkennbar ist, dass durch das Verkehrsschild ein – in diesem Falle – Halteverbot verfügt worden ist.

Dieses Urteil hat durchaus Bedeutung für zahlreiche Parkverstöße. Aus Sicht der Betroffenen ist jedoch nicht unwichtig, dass bei Parkverstößen in den meisten Fällen die Verkehrsrechtsschutzversicherung nicht eintritt. Die Kosten eines zu führenden Rechtsstreites übersteigen dann regelmäßig die Gebühren, die in dem Bescheid angesetzt wurden. Betroffenen kann man daher nur empfehlen, im Vorfeld mit ihrer Rechtsschutzversicherung abzuklären, ob sie für den Fall Kostenschutz erteilt.

Erfreulich ist an dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes aber in jedem Fall, dass wieder einmal klargestellt wurde, dass eine Behörde (hier: das Straßenverkehrsamt) nicht ohne weiteres Verfügungen treffen kann, an die die Bürger dann bedingungslos gebunden sind. Vielmehr hat der jeweils handelnde Amtswalter durch anwenden einer Sorgfaltspflicht im Einzelfall dafür zu sorgen, dass die getroffene Verfügung auch ohne weiteres für die anderen Verkehrsteilnehmer wahrnehmbar ist. Man sieht also auch an diesem Fall wieder, dass man sich als Verkehrsteilnehmer nicht alles gefallen lassen muss, sondern durchaus auch die Entscheidungen der Behörden – oft erfolgreich – einer Überprüfung durch die Gerichte zuführen kann.

Erfahren Sie hier mehr über: Beleidigung im Straßenverkehr und Anwalt Dr. Hartmann berät zum Falschparken bei SAT.1 Frühstücksfernsehen

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Anordnung der MPU bei Verhalten eines Fußgängers

Viele Verkehrsteilnehmer und Führerscheininhaber glauben, dass die MPU (medizinisch-psychologische Untersuchung) nur angeordnet werden kann, wenn ein Fehlverhalten im Straßenverkehr vorliegt. Dies ist jedoch nicht richtig. Aus immer mehr Sachverhalten schließen die Führescheinstellen in letzter Zeit auf „Ungeeignetheit zum Führen eines Fahrzeuges“. Dies ist nebenbei gesagt der Grund, warum sich immer mehr Betroffene für den Erwerb eines ausländischen EU-Führerscheins interessieren. Aber das ist ein anderes Thema. Zurück zum Punkt. Auch bei bestimmten Verhaltensweisen, die NICHTS mit der Teilnahme am Straßenverkehr zu tun haben, kann die MPU-Anordnung erfolgen. Beispielsweise hat das Verwaltungsgericht Trier am 9.5.2016 (A.Z.: 1 L 1375/16. TR) entschieden, dass die Fahrerlaubnisbehörde zwingend die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens (sprich MPU) anzuordnen hat, wenn bei einem Fahrerlaubnisinhaber Tatsachen die Annahme von Alkoholabhängigkeit begründen. Dies auch dann, wenn die entsprechenden Tatsachen nicht in einer Verkehrsteilnahme unter Alkoholeinfluss bestehen. Was war vorliegend geschehen? Der Betroffene war als Fußgänger mit einem Blutalkoholwert von 2,5 Promille aufgefallen. Er montierte im Stadtgebiet von einem fremden Fahrrad Reifen ab und hat sich sodann auf seinem weiteren Weg durch die Stadt „äußerst aggressiv“ gezeigt. Ständig habe er mit den Füßen gegen Häuserwände, Straßenschilder und Verkehrseinrichtungen getreten. Dieses Verhalten kann nach Auffassung der Verwaltungsrichter ausreichen, um dem Betroffenen auf Fahreignung überprüfen zu lassen. Weigert sich der Betroffene – wie vorliegend – sodann, sich untersuchen zu lassen, so darf hieraus die Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen geschlossen und die Fahrerlaubnis entzogen werden. Autofahrer sollten somit im Hinterkopf behalten, dass jedes Verhalten im Zusammenhang mit Alkohol oder Drogen, auch außerhalb des Straßenverkehrs, die Fahrerlaubnis gefährden kann.

Dr. Henning Hartmann

Fachanwalt für Strafrecht
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Betrug bei Sportwetten

Die Fußball-EM naht und viele Fußballfans versuchen nun wieder, mit ihrem Fachwissen Geld zu verdienen. Die Rede ist von Sportwetten. Sportwetten sind in Deutschland mittlerweile legal, sie beschäftigen aber auch gelegentlich die Strafgerichte.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in seinem Beschluss vom 11.3.2014 (A.Z.: 4 StR 479/13) über einen äußerst interessanten Fall zu entscheiden gehabt, in dem der Angeklagte aufgrund eines Tipps auf ein Fußballspiel gesetzt und gewonnen hatte. Hierbei hatte er auf den „Tipp“ vertraut und eine entsprechende Wette abgegeben.

Vor dem Spiel der österreichischen Bundesliga zwischen zwei Fußballvereinen erhielt der Angeklagte, der Inhaber des Cafés war, von einem unbekannten einen „Tipp“ über den Ausgang des Spiels. Nach dieser Information hätten Spieler der Heimmannschaft zugesagt, durch unsportliche Spielzurückhaltung auf eine Niederlage des eigenen Vereins mit mindestens zwei Toren Unterschied wirken. Ob die Begegnung tatsächlich manipuliert war, konnte das Landgericht nicht feststellen. Der Angeklagte stufte den „Tipp“ zwar nicht als sicher ein, allerdings hielt er eine Manipulation für möglich. Er wettete demzufolge auf einen entsprechenden Spielausgang. Und tatsächlich: das Spiel ging entsprechend aus und der Angeklagte gewann eine hohe Geldsumme.

Eine Manipulation des Spiels war hingegen letztlich nicht nachgewiesen.

Nachdem das Landgericht Bochum den Angeklagten verurteilt hatte, hat der BGH dieses Urteil aufgehoben. Gestützt wurde die Entscheidung im wesentlichen darauf, dass der Angeklagte sich jedenfalls nicht an einer Beeinflussung des Spielergebnisses beteiligt hatte. Ihm war lediglich von unbekannter Seite ein „Tipp“ in einem Café gegeben worden, in dem häufig ein an sportwetteninteressiertes Publikum verkehrt. Der Angeklagte ging auch bei seinem Wettverhalten nicht von einer mit Sicherheit zutreffenden Information aus. Er habe keinen Eingriff in das Wettereignis selber vorgenommen oder in dessen Geschäftsgrundlage. Vielmehr gehöre die Nutzung solcher Informationsvorsprünge (seien sie nur vermutet oder tatsächlich zutreffend) zum allgemeinen und daher straflosen Geschäftsrisiko bei Wetten.

Der Angeklagte habe bei seinem Vorgehen die verwirrten typische Unsicherheit akzeptiert und habe nicht die „Identität wesentlichen Merkmale einer Wette“ überschritten. Der Fall sei möglicherweise anders zu beurteilen, wenn der wertende die sichere Information erhält, dass das Spiel manipuliert ist. Vorliegend habe der Fall aber anders gelegen.

Diese Wertung stehe auch im Einklang mit dem Urteil des fünften Strafsenats des BGH vom 15.12.2006 (A.Z.: 5 StR 181/06, BGHSt 51, 165,172). Der Angeklagte habe auch keine Garantenstellung innegehabt, sodass eine Strafbarkeit wegen versuchten Betrugs durch Unterlassen ebenfalls nicht in Betracht komme.

Fazit: solange man lediglich einen „Tipp“ erhält und nicht aktiv (etwa durch Bestechung) auf das Spielgeschehen bzw. den Spielausgang Einfluss nimmt, kann man bedenkenlos auch höhere Wettgewinne vereinnahmen, ohne sich strafbar zu machen.

Erfahren Sie hier mehr über: Verkehrskontrolle – so verhalten Sie sich richtig! und Gilt 30 km/h auch am Feiertag?

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Muss ich mich um einen Strafzettel aus dem Ausland kümmern?

Anwalt Dr. Hartmann informiert beim SAT.1 Frühstücksfernsehen.

Thema war diesmal „Knöllchen im Urlaub“, was einem passiert, wenn man im Ausland z.B. geblitzt wird, oder Falschparkt und im Anschluss einen Strafzettel erhält.

Erfahren Sie hier mehr über: So retten Sie sich vor einem Straf- oder Bußgeldverfahren und Führerschein weg wegen Falschparken – geht das?

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Schadensersatzforderung

In welchem Umfang kann ich Schadensersatz fordern?

Die Regelung zu dem Umfang, in Schadensersatz, zum Beispiel nach einem Unfall, geschuldet wird, findet sich in § 249 BGB. Zunächst liest sich die Regelung recht eindeutig:

„Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen“.

Im Einzelfall und in vielen unterschiedlichen Konstellationen wird seit vielen Jahren darum gestritten, was denn der „erforderliche Geldbetrag“ im konkreten Fall sein soll. Hierbei ist zunächst die Erkenntnis wichtig, dass der Geschädigte wählen kann, ob er die Beseitigung des Schadens selbst unternimmt. Er soll weiterhin selbst bestimmen können, auf welche Weise er den Schaden beseitigt und ob er den Schaden überhaupt beseitigt. Kurz gesagt: es soll der Geschädigte vom Schädiger (bzw. dessen Kfz-Haftpflichtversicherung) finanziell in die Lage versetzt werden, den Schaden zu beseitigen. Dafür soll ihm der für die Schadensbeseitigung erforderliche Geldbetrag zur Verfügung gestellt werden.

Es bleibt aber weiterhin die Frage, was im Einzelfall dieser „erforderliche Geldbetrag“ ist. Anhand einzelner klassischer Schadenspositionen soll ein Überblick gegeben werden, die sich dieser Begriff im Straßenverkehrsrecht sinnvoll ausfüllen lässt.

Schadensposition Sachverständigenkosten: in einem Urteil vom 11.2.2014 hat der BGH erneut zu dieser Schadenspostzustellung. Folgender Sachverhalt zu beurteilen. Der Kläger war mit seinem Fahrzeug ein Verkehrsunfall mit Beklagten verwickelt. Die Beklagte haftete unstreitig zu 100 % (sogenannte Haftung dem Grunde nach bar gegeben) der Kläger holt ein Schadensgutachten. Gutachter errechnete einen Reparaturaufwand von 1500 € netto und berechnete dem Kläger für das Gutachten 534,55 €. Davon entfielen netto 260 € auf das Grundhonorar, der Rest auf Auslagen und Umsatzsteuer. Als Auslagen wurden berechnet: 42,40 € für Lichtbilder, 75 € für Telefon und Portokosten sowie 91,80 € für Fahrtkosten die Beklagte Kfz-Haftpflichtversicherung erstattete dem Kläger nur 390 €. Die restlichen 144,55 € waren Gegenstand der Klage. Das Amtsgericht wies die Klage ab. Das Gericht sprach dem Kläger weitere 56,90 € zu.

Es stützte sich dabei auf eine Schätzung auf Grundlage von § 287 ZPO. Dabei liegt es als Ausgangspunkt zwar die dem Kläger Gutachter erteilte Rechnung zugute, begrenzte die Erstattungsfähigkeit der einzelnen Rechnungsposten dann aber. Eine solche Kappung der Sachverständigengebühren ist nach Auffassung des zuständigen Senates des BGH nicht rechtmäßig. Zwar erlaubt § 287 ZPO grundsätzlich die Schadenschätzung ausdrücklich. Folgender Gedanke liegt der Korrektur durch den BGH zugrunde: der Schädiger hat an den Geschädigten den Geldbetrag zu bezahlen, der objektiv zur Schadensbeseitigung erforderlich ist. Dies bedeutet, dass in dem gegebenen Fall die Beklagte den Kläger den Geldbetrag zur Verfügung stellen muss, der zur Einholung eines Schadensgutachten objektiv erforderlich ist. Sie ist mit „objektiv erforderlich“ aber nicht der typische Durchschnittsaufwand für die entsprechende Leistung maßgeblich. Denn ein solcher Ansatz würde dem Grundgedanken des § 249 BGB nicht gerecht werden, nachdem der Geschädigte wirtschaftlich so weit wie möglich so zu stellen ist, als ob der Unfall nicht eingetreten wäre. Bei der Bemessung des erforderlichen Geldbetrags ist deshalb vielmehr die konkrete Situation gerade dieses Geschädigten in den Blick zu nehmen. Seine beschränkten Erkenntnismöglichkeiten und gerade für ihn bestehende Risiken sind zu berücksichtigen.

Und hier erlangt nun also die Rechnung des Sachverständigen maßgebliche Bedeutung. Hat der Geschädigte die Rechnung beglichen und legt sie im Prozess vor, dann genügt er damit regelmäßig der im Rahmen von § 249 BGB treffenden Darlegung-und Beweislast. Der Schädiger kann sich dann nicht mehr auf ein einfaches bestreiten der Erforderlichkeit des ausgewiesenen Rechnungsbetrags zurückziehen. Denn der vom Geschädigten erbrachte tatsächliche Aufwand bildet ein wichtiges Indiz für die Bestimmung des zu bemessenen erforderlichen Betrags. Dieser Betrag ist gerade das „Produkt“ der konkreten Situation. Daraus zieht die Rechtsprechung folgende Konsequenz: will der Schädiger den vom Geschädigten bezahlten Rechnungsbetrag nicht voll ersetzen, muss er darlegen und beweisen, dass der geschädigte Maßnahmen unterlassen hat, die ein ordentlicher und vernünftig denkender Mensch an seiner Stelle ergriffen hätte, um den Aufwand zur Schadensbeseitigung gering zu halten. Wichtig hierbei ist die Auffassung der herrschenden Rechtsprechung, dass der Geschädigte zu einer Recherche nach einem Sachverständigen mit einem günstigeren Honorarangebot nicht verpflichtet sein kann.

Wie an diesem Beispiel erkennbar, ist der von dem Geschädigten erbrachte Aufwand ein erhebliches Indiz für den „erforderlichen Geldbetrag“ im Sinne des § 249 Abs. 2 S.1  BGB. Erst wenn der von dem Sachverständigen berechnete Preis für den Geschädigten erkennbar und erheblich über den üblichen Preisen liegt, kann eine Kürzung auf Grundlage von § 287 ZPO vorgenommen werden. Die gelegentlich vertretene Auffassung, dass pauschal lediglich neben dem Grundhonorar des Sachverständigen Kosten in Höhe von 100 € als erforderlich anzusehen seien, genügen diesen Anforderungen nicht (BGH, Urteil vom  22.7.2014; zfs 2015, Seite 85, RN 21.)

Im Ergebnis und in der praktischen Umsetzung führt dies dazu, dass die von den Sachverständigen jeweils berechneten Gebühren auch von der Kfz-Haftpflichtversicherung des Schädigers zu tragen sind. Geschädigte sollte sich hier nicht von entgegenstehenden Argumentationen der Versicherer verunsichern lassen. Erforderlichenfalls sind auch die Sachverständigengebühren, und zwar im Wege des Freistellungsanspruches, einzuklagen.

Nun zu der sogenannten fiktiven Schadensabrechnung. Gemeint sind hier Fälle, in denen der Geschädigte ein Sachverständigengutachten (zu dessen Kosten siehe oben) vorliegt und von dem Versicherer des Schädigers den entsprechenden Nettobetrag ersetzt haben will, und zwar ohne dass eine Reparatur durchgeführt wird. Tatsächlich angefallene Kosten spielen somit bei dieser Konstellation keine Rolle. Der Geschädigte trifft vielmehr eine Entscheidung, dass er sich mit einer Abrechnung auf einer rein theoretisch ermittelten Grundlage zufrieden gibt (U. A. BGH, Urteil vom 15.7.2014 – VI ZR 313/13). Dies ist einer der Klassiker in der täglichen Auseinandersetzung mit Kfz-Haftpflichtversicherung endlich einen Anspruch auf Ersatz seiner in einer markengebundenen Fachwerkstatt anfallenden Reparaturkosten. Er darf seiner Schadensberechnung deshalb im Grundsatz insbesondere auch die Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zu Grunde legen, die der von ihm beauftragte Sachverständige ermittelt hat (vgl. hierzu unter anderem: BGH, Urteil vom achter 20.4.2015 – VI ZR 267/14, zfs 2015, S. 621 RN 10).

Nur unter ganz bestimmten Umständen ist es dem Schädiger (bzw. seiner Kfz-Haftpflichtversicherung) gestattet, den Geschädigten auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne weiteres zugänglichen anderen markengebundenen oder freien Fachwerkstatt zu verweisen. Voraussetzungen einer solchen Verweisung sind: der Schädiger legte dar und beweist, dass eine Reparatur in dieser Werkstatt vom Qualitätsstandard eher der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt vollständig entspricht. Weiterhin darf im Falle des Verweises auf eine freie Werkstatt kein Umstand vorliegen, der dem Geschädigten eine Reparatur außerhalb der markengebundenen Fachwerkstatt unzumutbar macht.

Wichtig: auch im Hinblick auf die Umstände, die dem Geschädigten die Reparatur in einer Alternativwerkstatt zumutbar machen, trägt der Schädiger die volle Beweislast. Hier ein Beispiel: in der von dem BGH am 28.4.2015 (VI ZR 267/14) entschiedenen Sachlage hatte der Geschädigte ein Gutachten vorgelegt, dem die von einem Sachverständigen ermittelten Stundenverrechnungssätze eines markengebundenen Reparaturbetriebs zu Grunde gelegt wurden. Der beklagte Haftpflichtversicherer verwies nun auf drei günstigere Werkstätten. Eine davon verfügte am Wohnsitz des Geschädigten nur über eine kleine Annahmestelle. Die eigentliche Werkstatt war 130 km entfernt. Bei den beiden anderen Reparaturbetrieben handelte es sich um Partnerbetriebe des Haftpflichtversicherers, allerdings in Bezug auf Kaskoschäden. Nahm ein Kaskoversicherer dieses Versicherers Dienste dieser Werkstätten an einem Versicherungsfall in Anspruch, so erhielt er aufgrund einer Vereinbarung des Versicherers mit der Werkstatt Sonderkonditionen. Dies galt aber wie gesagt nur in Bezug auf Kaskoschäden. Nach Auffassung des BGH ist der Geschädigte in der Tat nicht auf den 130 km vom Wohnort des Geschädigten entfernten Betrieb zu verweisen. Denn auf günstigere Reparaturmöglichkeiten muss sich der Geschädigte bekanntlich nur dann verweisen lassen, wenn die andere Werkstatt für ihn „mühelos und ohne weiteres“ erreichbar ist. Selbst wenn nun von einer Annahmestelle am Wohnort des Geschädigten zu dieser Werkstatt transportiert wird und dieser Transport kostenlos vom Reparaturbetrieb erbracht wird, ist mit diesem Transport ein zusätzlicher Zeitaufwand und die Gefahr zusätzlicher Schäden verbunden. Ein weiterer Aspekt kommt hinzu: mit der Verbringung des beschädigten Fahrzeugs in die Reparaturwerkstatt ist insofern ein Nachteil verbunden, dass im Falle etwaiger Nacherfüllungsansprüche, nämlich bei Mängeln der Reparatur, ein erschwerter Zugang zu diesem Betrieb gegeben ist.

Interessant wurde es sodann bei den beiden anderen Alternativbetrieben, bei denen der Versicherer Sonderkonditionen für den Fall von Reparaturen im Kaskofall vereinbart hatte. Hier hat der BGH klargestellt, dass dies grundsätzlich einer Zumutbarkeit nicht entgegensteht. Voraussetzung ist sodann aber weiter, dass es sich bei den der Alternativberechnung zu Grunde gelegten Preisen um solche Preise handelt, die auch jeder andere Kunde erhalten würden. Handelt es sich hingegen um Sonderkonditionen, die allein der Versicherer eingeräumt bekommt, ist keine Zumutbarkeit gegeben. Denn im Falle solcher Konditionen des Versicherers bildete die Alternativberechnung gerade nicht mehr den Betrag ab, den ein Geschädigter aufzuwenden hat, der die Reparatur unabhängig vom Schädiger in die eigenen Hände nehmen will (siehe § 242 BGB!).

Man sieht, ist die Frage nach der Bemessung des „erforderlichen Geldbetrages“ im Sinne des § 249 Abs. 2 S.1 BGB im Einzelfall schwierig. Dies wird auch durch die Anzahl von Urteilen auf diesem Gebiet deutlich.

Wie man weiterhin unschwer erkennen kann, haben Geschädigte nach einem Verkehrsunfall weitaus mehr Rechte und Ansprüche, als die Versicherer freiwillig einräumen möchten. Geschädigten kann daher nur geraten, sich von einem Fachenwalt beraten zu lassen und erforderlichenfalls den Klageweg zu beschreiten.

Erfahren Sie hier mehr über: Wie Versicherer versuchen Ihre Ansprüche zu kürzen! und Schadensersatz nach Unfall, Teil 1

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Akteneinsicht bei Geschwindigkeitsverstoß

Dem Verteidiger/Rechtsanwalt muss bei einer Verteidigung wegen eines Geschwindigkeitsverstoßes die gesamte Akteneinsicht gewährleistet  werden. Dies ist erforderlich, damit bei Verwendung von sogenannten standardisierten Messgeräten der Verteidiger eine ordnungsgemäße Verteidigung durchführen kann.

Das Amtsgericht Gießen hat in seinem Beschluss vom 27.10.2015 (Aktenzeichen 512 OWiG 83/15) erneut entschieden, dass dem Verteidiger auch die vollständige Messdatei samt so genanntem Token und Passwort sowie die gesamte Messreihe entsprechend § 46 OwiG in Verbindung mit § 147 StPO zur Verfügung zu stellen ist. Mit „gesamter Messreihe“ ist gemeint, dass sämtliche Messvorgänge aus dem Meßeinsatz an besagtem Tag der Verteidigung in digitalisierter Form zur Verfügung gestellt werden müssen. Anderenfalls würde das Recht auf rechtliches Gehör verletzt werden, weil nämlich das Recht des Verteidigers auf Akteneinsicht (§ 147 StPO) verletzt würde.

Denn bei der vorliegenden Messung handelt es sich stets um ein standardisiertes Messverfahren, sodass der Betroffene zur Verteidigung konkrete Einwendungen gegen die Messung vorzubringen hat. Hierzu ist er nur in der Lage, soweit eine Auswertung der Messung (gegebenenfalls durch einen von ihm beauftragten Sachverständigen) erfolgen kann, die das Vorliegen der gesamten Messreihe voraussetzt. Häufig wird von den Bußgeldstellen eingewendet, dass der Übersendung der gesamten Messsequenz datenschutzrechtliche Erwägungen entgegenstehen. Dies ist jedoch nicht haltbar. Denn datenschutzrechtliche Gründe sprechen nicht gegen die Aushändigung der gesamten Messreihe sowie der Messdatei an den Verteidiger. Denn bei der Abwägung der widerstreitenden Interessen überwiegt das Interesse des Betroffenen, das Recht auf rechtliches Gehör ausüben zu können. Dies ist nur gewährleistet, soweit das Akteneinsichtsrecht auch auf diese genannten Beweismittel, die nicht unmittelbare Aktenbestandteil sind, erstreckt wird. Darüber hinaus dürften der Verwaltungsbehörde technische Mittel zur Anonymisierung der Daten auf der Messdatei zur Verfügung stehen. Weiter ist hier zu berücksichtigen, dass nicht dem Betroffenen, sondern dem Verteidiger im Rahmen des Akteneinsichtsrecht die Daten zur Verfügung gestellt werden, der als Person der Rechtspflege den Datenschutz verpflichtet ist.

Weiter sind als Aktenbestandteile dem Verteidiger der Beschilderungsplan zur Verfügung zu stellen. Zudem hat der Verteidiger ein Recht auf Mitteilung, wer an dem Datentransport sowie der Auswertung beteiligt war, insbesondere ob hierbei an der Messung private Unternehmen von dritter Seite mitgewirkt haben, da sich etwa aus der Beteiligung privater Dritter ein Beweisverwertungsverbot ergeben könnte. Weiterhin erstreckt sich das Akteneinsichtsrecht auf den Beschilderungsplan sowie das verwendete Auswerteprogramm.

Bekanntlich ist auch die Gebrauchsanweisung für das verwendete Messgerät zu übersenden. Allerdings ist an dieser Stelle dem Gesuch durch die Möglichkeit der Einsichtnahme im Wege eines Downloads hinreichend Rechnung getragen. Immer wieder gibt es Urteile von (kleineren) Amtsgerichten, in denen dieses Recht auf vollständige Akteneinsicht nicht berücksichtigt wird. So hat das Amtsgericht Stadtroda in seinem Beschluss vom 10.7.2015 (Aktenzeichen 1 OWi 697/15) die zuvor genannten, weitgehend unstreitigen Grundsätze unberücksichtigt gelassen. Es hat an dem sogenannten „formalen Aktenbegriff“ festgehalten und dem Betroffenen sein Recht auf erweiterte Akteneinsicht verweigert. Dies mit der lapidaren Aussage, dass Unterlagen, die bislang nicht Aktenbestandteil geworden sind, nicht im Wege der Akteneinsicht zugänglich gemacht werden können. Weiterhin führt das Amtsgericht Stadtroda aus, dass die weiteren gewünschten Unterlagen, soweit erforderlich, erst im gerichtlichen Verfahren durch den zuständigen Richter angefordert werden.

Genau durch diese Vorgehensweise wird jedoch das Recht der Verteidigung untergraben, die Messung im Vorfeld (gegebenenfalls durch einen eigenen Sachverständigen) einer Prüfung zuzuführen. Es fehlen dann selbstverständlich Ansätze, um einen Beweisantrag in der Hauptverhandlung überhaupt formulieren zu können. In der Literatur hat diese Entscheidung des Amtsgerichts Stadtroda daher weitgehend zu Kopfschütteln geführt. Denn liegt ein standardisiertes Messverfahren vor, kann der Betroffene ja gerade im gerichtlichen Verfahren keine gutachterliche Prüfung erfolgreich herbeiführen, wenn er nicht zuvor konkrete Fehler oder zumindest Ansatzpunkte aufzeigt.

Wie auch an diesen Entscheidungen sehr deutlich wird, kann eine erfolgreiche Verteidigung im Ordnungswidrigkeitenverfahren oftmals nur dann geführt werden, wenn der Betroffene über eine Rechtsschutzversicherung verfügt. Denn zum einen entstehen erhebliche Rechtsanwaltskosten. Zum anderen kann ein Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens erhebliche Kosten auslösen. Wenn der Betroffene nun das Risiko eingeht, auf diesen Kosten am Ende des Verfahrens selber sitzen zu bleiben, ist der Verteidiger in der Wahl seiner für die Verteidigung durchzuführenden Schritte eingeschränkt.

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Blitzermarathon, was ist zu tun?

Vor einigen Tagen war es wieder soweit, im ganzen Land war Blitzermarathon. Hat es auch Sie erwischt? Fachanwalt für Verkehrsrecht Henning Hartmann sagt Ihnen im neusten Video was zu tun ist.

Erfahren Sie hier mehr über: So retten Sie sich vor einem Straf- oder Bußgeldverfahren und Blitzermarathon in Berlin und Brandenburg

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Unfall unter Alkohol: keine Haftung

Wenn ein Fußgänger mit einem Kraftfahrzeug kollidiert, haftet der Halter dieses Kraftfahrzeuges bzw. dessen Kfz Haftpflichtversicherung grundsätzlich aus dem Gesichtspunkt der Betriebsgefahr. Doch was ist zu beachten, wenn der Geschädigte Alkohol getrunken hat?

Alkohol und Fußgänger

In einem am 17.4.2015 entschiedenen Fall (OLG Hamm, Aktenzeichen I – 9U34/14) war folgender Sachverhalt zu beurteilen. Auf dem Parkplatz eines Supermarktes kam der zum Zeitpunkt mit 2,49 Promille alkoholisierte Kläger als Fußgänger zwischen die Achsen eines Lkw. Der klagende Fußgänger erlitt schwerste Verletzungen.

Aufgrund der erheblichen Alkoholisierung (2,49 Promille) kam das Gericht zu dem Ergebnis, dass im Rahmen der vorzunehmenden Haftungsabwägung die Betriebsgefahr des Lkw vollständig zurück tritt. Damit wurde jegliche Haftung der Beklagten Kfz Haftpflichtversicherung verneint. Die im Unfallzeitpunkt gemessenen Blutalkoholkonzentration von 2,49 Promille begründe die alkoholbedingte Verkehrstüchtigkeit eines Fußgängers, in dieser zuvor durch eine Verhaltensweise (torkeln, starkes Schwanken) aufgefallen ist, die typisch für einen unter Alkoholeinfluss stehenden Fußgänger ist.

Öffentliches Gelände und Straßenverkehrsordnung

In diesem Fall ist somit ausnahmsweise Betriebsgefahr des Lkw zurückgetreten. Weiterhin wurde in dem Urteil diskutiert, ob es sich um einen öffentlichen Verkehrsraum bei dem Supermarktgelände hatte, handelte, mit der Folge, dass Vorschriften der Straßenverkehrsordnung (StVO) eingreifen. Ob ein Verkehrsraum öffentlich ist oder nicht, bemisst sich nicht nach den Eigentumsverhältnissen an den jeweiligen Grundstücksflächen. Maßgeblich ist vielmehr, ob der in Rede stehende Verkehrsraum ausdrücklich oder stillschweigend durch den jeweils Berechtigten für den öffentlichen Verkehr freigegeben ist. Demzufolge ist ein Verkehrsraum dann öffentlich, wenn er entweder ausdrücklich oder mit stillschweigender Duldung des Verfügungsberechtigten für jedermann oder aber zumindest für eine allgemein bestimmte größere Personengruppe zur Benutzung zugelassen ist und auch so benutzt wird (BGH NJW 2004,1965).

Auf Parkplätzen gilt die StVO

Auf Supermarktparkplätzen, die jedermann zugänglich sind, findet somit die StVO regelmäßig Anwendung. Eine entsprechende Beschilderung („hier gilt die StVO“) ist entgegen landläufiger Meinung hierfür nicht erforderlich.

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