Bei der Frage eines Verstoßes gegen ein Ge- oder Verbot, das auf einem Verkehrsschild angeordnet worden ist stellt sich häufig die Frage, ob dieses Verkehrsschild überhaupt Wirksamkeit entfaltet hat. Hierbei wird von Betroffenen in vielen Fällen geltend gemacht, dass das Verkehrsschild nicht ohne weiteres sichtbar war. Der Betroffene nimmt dann für sich in Anspruch, dass das Verkehrsschild – mangels Sichtbarkeit – keine Gültigkeit hatte.
Sichtbarkeit gegeben oder nicht gegeben
Das Bundesverwaltungsgericht hat 6.4.2016 (Aktenzeichen 3 C 10/15) ein klarstellendes Urteil dazu gefällt, wann Autofahrer sich nach einem Schild richten müssen, und wann dies aufgrund fehlender Wahrnehmbarkeit nicht der Fall ist.
Folgendes war passiert. Der betroffene Autofahrer (hier: der Kläger) wandte sich gegen die Auferlegung einer Gebühr für die Umsetzung seines Fahrzeuges. Er hatte dieses Fahrzeug im September 2010 in Berlin in einem Straßenabschnitt geparkt, auf dem wegen eines am nächsten Tag stattfindenden Straßenfestes durch vorübergehend angebrachte Verkehrszeichen ein absolutes Halteverbot ausgeschildert war. Ein solches absolutes Halteverbot wird juristisch als „Zeichen 283“ bezeichnet.
Die Stadt Berlin veranlasste das Abschleppen dieses Fahrzeugs durch ein Unternehmen und stellte dem betroffenen Autofahrer eine Umsetzgebühr in Höhe von 125 Euro in Rechnung. Maßgebliches Argument des Betroffenen/Klägers hiergegen: die Verkehrszeichen seien nicht mit einem raschen und beiläufigen Blick erkennbar gewesen. Daher seien die Halteverbote nicht wirksam bekannt gemacht worden. Nachdem das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg die Klage abgewiesen hatte, weil es dem Kläger zugemutet hatte, auch ohne Anlass eine Nachschau durchführen zu müssen und dabei offen gelassen hat, in welcher Höhe und welcher Ausrichtung das Halteverbot Zeichen angebracht war, hat das Bundesverwaltungsgericht dieses Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zurückverwiesen an das OVG Berlin-Brandenburg.
Das Bundesverwaltungsgericht hat hierbei folgende Ausführungen zur Begründung gemacht. Verkehrszeichen für den ruhenden Verkehr äußern ihre Rechtswirkung gegenüber jedem von der Regelung betroffenen Verkehrsteilnehmer grundsätzlich ohne Rücksicht darauf, ob er das Verkehrszeichen tatsächlich wahrnimmt oder nicht. Allerdings müssen Sie dafür so aufgestellt oder angebracht sein, dass ein durchschnittlicher Kraftfahrer bei Einhaltung der erforderlichen Sorgfaltspflicht (§ 1 StVO) und ungestörten Sichtverhältnisse während der Fahrt oder durch einfache Umschau beim Aussteigen ohne weiteres erkennen kann dass ein Gebot oder Verbot durch Verkehrszeichen verlautbart wurde.
Was sich hier etwas verklausuliert anhört, ist durchaus nachvollziehbar und vernünftig im Hinblick darauf, was einem Autofahrer noch zugemutet werden kann, und was nicht. Das Bundesverwaltungsgericht hat nämlich hierbei klargestellt, dass der Kraftfahrer zu einer „Nachschau“, also zu einem genaueren hinsehen, nur verpflichtet ist, wenn hierfür nach den Umständen des Einzelfalls ein Anlass gegeben ist.
Hierbei ist Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für die Umsetzung eines Fahrzeuges und eine daran anknüpfende Gebührenerhebung, dass der Betroffene beim abstellen des Fahrzeugs gegen ein behördlich angeordnetes und durch Verkehrszeichen wirksam bekannt gemachtes Halteverbot verstoßen hat. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass an die Sichtbarkeit von Verkehrszeichen im ruhenden Verkehr niedrigere Anforderungen zu stellen sind als an solche, die den fließenden Verkehr betreffen. Soweit dann aber darüber hinaus von einem Gericht dem Autofahrer zugemutet wird, dass im ruhenden Verkehr auch ohne jeden Anlass eine Nachschaupflicht nach dem Vorhandensein von Halteverbot Zeichen besteht, erteilt das Bundesverwaltungsgericht dem Berufungsgericht eine Absage: dies steht nicht im Einklang mit Bundesrecht. Entscheidend ist, dass die Wirksamkeit des Verkehrsschildes nun einmal nur entsteht, wenn dieses so aufgestellt bzw. angebracht ist, dass ohne weiteres erkennbar ist, dass durch das Verkehrsschild ein – in diesem Falle – Halteverbot verfügt worden ist.
Dieses Urteil hat durchaus Bedeutung für zahlreiche Parkverstöße. Aus Sicht der Betroffenen ist jedoch nicht unwichtig, dass bei Parkverstößen in den meisten Fällen die Verkehrsrechtsschutzversicherung nicht eintritt. Die Kosten eines zu führenden Rechtsstreites übersteigen dann regelmäßig die Gebühren, die in dem Bescheid angesetzt wurden. Betroffenen kann man daher nur empfehlen, im Vorfeld mit ihrer Rechtsschutzversicherung abzuklären, ob sie für den Fall Kostenschutz erteilt.
Erfreulich ist an dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes aber in jedem Fall, dass wieder einmal klargestellt wurde, dass eine Behörde (hier: das Straßenverkehrsamt) nicht ohne weiteres Verfügungen treffen kann, an die die Bürger dann bedingungslos gebunden sind. Vielmehr hat der jeweils handelnde Amtswalter durch anwenden einer Sorgfaltspflicht im Einzelfall dafür zu sorgen, dass die getroffene Verfügung auch ohne weiteres für die anderen Verkehrsteilnehmer wahrnehmbar ist. Man sieht also auch an diesem Fall wieder, dass man sich als Verkehrsteilnehmer nicht alles gefallen lassen muss, sondern durchaus auch die Entscheidungen der Behörden – oft erfolgreich – einer Überprüfung durch die Gerichte zuführen kann.
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