Verkehrsschilder müssen eindeutig sein – sonst keine Haftung

(Oranienburg) Verkehrsschilder können Verbots- oder Gebotsregelungen treffen und sind grundsätzlich verbindlich. Sie haben auch Bedeutung für die Haftung aus einem Verkehrsunfall. Der Verkehrsteilnehmer kann sich nicht bei einem Verstoß oder nach einem Unfall darauf berufen, dass das Zeichen z.B. keinen Sinn gemacht habe oder den Verkehrsfluss nur behindere (wie es gelegentlich bei Geschwindigkeitsbegrenzungen geltend gemacht wird). Andererseits: Verkehrsschilder müssen für jeden Verkehrsteilnehmer auf den ersten Blick erkennbar und verständlich sein. Wenn die Schilder aber irreführend sind, dann kann das Verschulden eines Verkehrsteilnehmers, der den Sinn der Schilder missversteht, gemindert sein oder es kann ihm gegebenenfalls überhaupt kein Schuldvorwurf gemacht werden. Hierzu gibt es einen aktuellen Fall: Das Thüringische Oberlandesgericht (AZ: 1 Ss 20/10) hat einem Radfahrer Recht gegeben, der wegen falscher Beschilderung falsch gefahren war und einen Unfall verursacht hat. Zunächst: was viele nicht wissen ist, dass man als Radfahrer auch Punkte in Flensburg sammeln kann. Nämlich z.B. beim Überfahren einer roten Ampel, oder eben bei Begehung einer fahrlässigen Körperverletzung.

Nun aber zu dem konkreten Unfall und seinen rechtlichen Folgen. Der Radfahrer fuhr auf einer Kreisstraße und wechselte dann kurz vor einer Ortschaft auf den Gehweg. Dies ist eigentlich nur Kindern unter zehn Jahren erlaubt. Wichtig ist die Beschilderung in diesem Fall: Der Weg war als „Radwanderweg“ ausgeschildert. Nach der Ortseinfahrt lief plötzlich eine ältere Dame aus einer Hofeinfahrt heraus und die beiden stießen zusammen. Die Frau stürzte und wurde schwer verletzt. Das Amtsgericht und auch das Landgericht haben den Radfahrer wegen fahrlässiger Körperverletzung (§ 229 StGB) verurteilt. Dass aber ein weiteres Schild am Ortseingang fehlte, das den Weg eindeutig als reinen Fußgängerweg ausgezeichnet hätte, erkannte erst das Thüringische Oberlandesgericht. Die Richter erklärten, dass der Radfahrer zwar nicht berechtigt war, auf dem Gehweg mit dem Rad zu fahren. Diesen Irrtum könne man ihm aber nicht vorwerfen, da Sinn und Tragweite der Verkehrsschilder sofort klar und eindeutig erkennbar sein müssen, ohne dass weitere Überlegungen für das Erkennen des Regelungszwecks notwendig sind. Der Betroffene wurde daher freigesprochen. Punkte in Flensburg – ansonsten wären fünf Punkte eingetragen worden! – wurden ebenfalls nicht fällig.

Dies ist eine wichtige Erkenntnis: Wird eine falsche Fahrweise durch völlig missverständliche Verkehrsschilder hervorgerufen, kann eine ansonsten zu verhängende Strafe sogar ganz entfallen. Auch in anderer Konstellation ist diese Überlegung von Bedeutung, und zwar wenn der Betroffene als Autofahrer darlegen kann, dass er in der konkreten Fahrsituation nicht das Geschwindigkeitsbegrenzungsschild wahrnehmen konnte. Es kann dann ein Augenblicksversagen vorliegen. Sollten Sie einen Bußgeldbescheid oder einen Anhörungsbogen erhalten, zögern Sie nicht mit der Beauftragung eines Verkehrsanwaltes. Dieser klärt die Verteidigungsmöglichkeiten – bei Vorliegen einer Rechtsschutzversicherung kostenlos.

Fachanwalt für Verkehrsrecht: Dr. Henning Karl Hartmann, Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht im Deutschen Anwaltsverein (DAV).

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