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Schmerzensgeld im Strafverfahren

Das Strafverfahren dient der Ahndung der Tat gegen den Täter, nicht den Ansprüchen des Opfers. Dies ist zumindest die Grundeinteilung nach dem deutschen Rechtssystem. Wenn das Opfer Geld für die erlittenen Verletzungen einklagen möchte, hat dies grundsätzlich vor den Zivilgerichten (Amtsgerichte bei Ansprüchen bis 5.000 Euro, Landgerichte bei höheren Ansprüchen) zu erfolgen.

Eine Ausnahme gibt es allerdings. Die Rede ist von dem sogenannten Adhäsionsverfahren. Hört sich kompliziert an, ist es aber gar nicht. Dieses Verfahren sieht schlicht und ergreifend vor, dass das Opfer einer Straftat in dem Strafverfahren gegen den Täter seine Ansprüche mit geltend machen kann, wenn es einen entsprechenden Antrag stellt (§ 404 I StPO). Dann richten sich die Darlegung der Ansprüche und die Ausurteilung aber nach den zivilrechtlichen Anspruchsgrundlagen. Also sozusagen zwei Verfahren in einem: Der Strafrichter hat einerseits Strafrecht anzuwenden, andererseits aber auch Zivilrecht bei der Beurteilung der Ansprüche des Opfers. Und hier liegt auch der Grund dafür, dass die Strafrichter das Stellen dieser Anträge meist gar nicht „mögen“. Sie müssen sich auf einer fremden Spielwiese betätigen, und zwar möglichst noch rechtsmittelfest. Gleichwohl (oder vielleicht gerade deshalb, s.u.) hat der Verfasser dieses Beitrags mit dieser Art der Anspruchsgeltendmachung im Adhäsionsverfahren recht gute Erfahrungen gemacht.

Schauen wir einmal genauer hin. Der erste Vorteil liegt auf der Hand: statt zwei Verfahren führen zu müssen, hat man mit einem einzigen Verfahren sowohl die strafrechtliche, als auch die zivilrechtliche Seite über die Bühne gebracht. Dies sollte man nicht unterschätzen, und zwar insbesondere im Hinblick auf die psychische Belastung für das Opfer. Es kann im Einzelfall schon sinnvoll sein, dem Opfer bzw. Geschädigten eine unnötig hohe Anzahl von Verhandlungstagen zu ersparen. Denn gleich ob im Zivil- oder Strafverfahren, das Opfer muss sich doch mit den Geschehnissen erneut befassen und sie vor dem geistigen Auge „hervorholen“.

Warum nicht diese Belastung auf ein Minimum begrenzen? Und hier setzt nahtlos der zweite Gesichtspunkt an. Wenn nämlich im Strafverfahren eine Einigung über eine dem Opfer zu zahlende Entschädigung erzielt wird, dann ist dies in mehrfacher Hinsicht absolut wünschenswert. Zum einen wird das Opfer zufrieden sein, schnell eine Entschädigung zu erhalten und – ebenso schnell – mit der Sache „abschließen“ zu können. Zum anderen kann diese Erledigung der Sache auch für den Angeklagten Vorteile bringen. Das Gericht kann nämlich sein Bemühen darum, für seine Tat eine angemessene Entschädigung zu leisten, bei der Strafzumessung honorieren. Oder auch die Zahlung der Entschädigung als Bedingung für die Einstellung des Verfahrens gem. § 153a II StPO (Verfahrenseinstellung gegen Auflage) machen. Zwischenergebnis: Das Adhäsionsverfahren stellt in den geschilderten Fällen einen geradezu klassischen Vertreter des „Zwei Fliegen mit einer Klappe“ Prinzips dar.

Ein Wort noch zu den entstehenden Rechtsanwaltsgebühren. In vielen Fällen ist der Rechtsanwalt als Pflichtverteidiger des Beschuldigten beigeordnet. Umstritten ist nun die Frage, ob sich die Bestellung des Rechtsanwalts als Pflichtverteidiger auch auf Tätigkeiten im Adhäsionsverfahren erstreckt. Insofern wird aber inzwischen überwiegend verlangt, dass eine besondere Beiordnung des (Pflicht-) Verteidigers im Adhäsionsverfahren erfolgt, damit die Kosten von der jeweiligen Landeskasse getragen werden (vgl. u.a. OLG Karlsruhe StraFo 2013, S. 84 = StV 2013, S. 690; OLG Düsseldorf StRR 2012, S. 283; LG Osnabrück JurBüro 2013, S. 85; anderer Auffassung: OLG Rostock StraFo 2011, S.378; OLG Schleswig StraFo 2013, S. 305). Für Rechtsanwälte weiterhin interessant: eine 2,0-Verfahrensgebühr nach Nr. 4143 VV RVG fällt an, wenn Nebenkläger und Angeklagter in der Hauptverhandlung einen zivilrechtlichen Vergleich über Ansprüche des Nebenklägers wegen eines durch die Straftat erlittenen Schadens schließen. Ein Förmlicher Antrag gem. § 404 I StPO ist hierfür nicht erforderlich. Dies folgt aus Vorbemerkung 4 VV RVG und bedeutet konkret: auch wenn kein förmliches Adhäsionsverfahren nach § 404 StPO vorausgegangen ist, kann eine (2,0) Verfahrensgebühr nach Nr. 4143 VV RVG sowie eine (1,0) Einigungsgebühr nach Nr. 1003 VV RVG verdient werden, wenn Ansprüche des Nebenklägers im Strafverfahren mit verglichen werden.

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Anwaltsgebühren bei Freispruch

Wenn im Strafverfahren ein Freispruch erfolgt, hat die Landeskasse die Kosten des Rechtsanwaltes (=Verteidigers) des Angeklagten zu erstatten. Schließlich ist der Betroffene zu Unrecht mit einem Strafverfahren überzogen worden, dann soll der Staat auch für die Anwaltskosten gerade stehen müssen. Im Einzelfall kann aber Streit über die Höhe der Kosten entstehen, und zwar wenn der Angeklagten einen Rechtsanwalt beauftragt, der zwar der Anwalt seines Vertrauens ist, der aber nicht am Gerichtsort ansässig ist. Und deshalb erhebliche Fahrtkosten und Abwesenheitsgelder auslöst, diese Posten sind gesetzlich geregelt. Aber der Reihe nach. Zu den von der Staatskasse gem. § 467 I StPO zu erstattenden notwendigen Auslagen im Falle eines Freispruches gehören gem. § 464a II Nr.2 StPO die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts, soweit sie nach § 91 II ZPO, also im Zivilrechtsstreit, zu erstatten sind. Grundsätzlich steht dem Freigesprochenen somit die Erstattung derjenigen Kosten zu, die sein Wahlverteidiger ihm gegenüber geltend machen kann (§ 14 I RVG). Inwieweit Fahrtkosten und Abwesenheitsgelder eines „auswärtigen“, also nicht am Gerichtsort ansässigen, Verteidigers im Falle des Freispruchs des Angeklagten von der Staatskasse erstattet werden müssen, liegt im Einzelfall im Streit. Hierzu gibt es viele Einzelfallentscheidungen, die hier nicht alle erörtert werden können. Im Kern hängt die Erstattungsfähigkeit der Anwaltskosten davon ab, ob die Hinzuziehung eines nicht am Ort des Prozesses wohnenden Verteidigers „notwendig“ war (vgl. u.a. OLG Naumburg, Beschl. v. 22.3.2010 – A.Z.: Ws 379/09). Hier muss also im Einzelnen argumentiert werden, warum es gerade der beauftragte Verteidiger als „Anwalt des Vertrauens“ des Angeklagten sein musste, und nicht ein beliebiger Anwalt vor Ort. Da werden wohl Argumente zu finden sein. Wenn jedoch ein Rechtsanwalt als Pflichtverteidiger bestellt worden ist, sieht es anders aus. Die Auslagen eines solchen als Pflichtverteidiger bestellten Rechtsanwaltes sind immer erstattungsfähig. Denn die Auswahl des Pflichtverteidigers erfolgt durch das Gericht. Und die Prüfung, welcher Verteidiger nach § 142 I S.1 StPO ausgewählt wird, umfasst auch die Frage, ob die Bestellung eines auswärtigen Verteidigers erforderlich ist. Daher sind dann, wenn das Gericht die Bestellung eines auswärtigen Verteidigers als Anwalt des Vertrauens des Angeklagten beschließt, grundsätzlich auch diejenigen Mehrkosten erstattungsfähig, die dadurch entstehen, dass der bestellte Verteidiger seinen Kanzleisitz oder auch seinen Wohnsitz nicht am Ort des Gerichtes hat, bei dem verhandelt wird (BVerfG, Beschl. v. 24.11.2000 – A.Z.: 2 BvR 813/99). Dr. Henning Hartmann, Fachanwalt für Verkehrsrecht und Strafverteidiger in Oranienburg bei Berlin  

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Der Verteidiger in SexualstrafsachenЗащитник в сексуальных преступлениях

Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung – wie die Überschrift des Strafgesetzbuches zu den §§ 174 ff. lautet – also schwerste Verbrechen wie Vergewaltigung oder sexueller Missbrauch, sind Taten, die in der öffentlichen Meinung zu Recht als besonders verabscheuenswürdig gelten.
Gleich wie das Strafverfahren wegen des Vorwurfs einer Sexualstraftat ausgeht, es kommt fast immer zu einer Stigmatisierung der betroffenen Personen, die sozial wie wirtschaftlich ausgegrenzt und nicht selten ruiniert sind – selbst wenn sie freigesprochen werden oder das Verfahren eingestellt wird.

Ermittlungsbehörden und die Justiz geraten in Strafverfahren wegen sexuellen Missbrauchs häufig unter einen nicht zu unterschätzenden Erfolgsdruck. Berichtet dann auch noch die Presse über Verdächtigungen wegen einer Sexualstraftat, so steigt die Erwartung nach harter und unnachsichtiger Bestrafung drastisch.

Ein solches Szenario, also die emotionale Betroffenheit der beteiligten Justiz, aber auch die Stimmung, die durch die Berichterstattung in der Presse entsteht, kann gerade in Verfahren wegen Sexualstraftaten zu erheblichen Fehlerquellen führen. In den Hintergrund geraten dann nicht selten strukturierte, sachgerechte, schlicht professionelle juristische Vorgehensweisen. So haben wir z. B. in einem Strafverfahren verteidigt, indem eine spezialisierte Polizeibeamtin vor Gericht einräumen musste, dass sie die Begriffe „ejakulieren“ und „penetrieren“, die sie in ihrem Vernehmungsprotokoll zu Lasten unseres Mandanten verwendete, nicht auseinanderhalten konnte. Solche schwerwiegenden Fehler frühzeitig zu erkennen und mit den strafprozessualen Mitteln zu korrigieren, ist Aufgabe der Verteidigung.

Als wichtigstes Ziel gilt es aber eine sachliche Verhandlungsatmosphäre zu schaffen, um entgegen aller Betroffenheit und Beklommenheit der Beteiligten eine neutrale und distanzierte Sachbearbeitung zu ermöglichen. Denn Fehlurteile mit denen ein Unschuldiger bestraft wird sind stets die schwersten Justizunfälle mit irreparablen Folgen für die Betroffenen.

Autor: Dr. Andreas Fricke, Rechtsanwalt und Strafverteidiger

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Alkohol am Steuer und Verteidigungsmöglichkeiten des RechtsanwaltsВождение в нетрезвом виде и обороны прокурора

(Oranienburg) Heute soll es wieder um das Thema Alkohol im Straßenverkehr gehen. Fast täglich sorgt dieser „Dauerbrenner“ für juristische Probleme und Fragen bei den betroffenen Bürgern. Vorab einige grundsätzliche Eintstufungen. Egal, ob vorsätzlich oder fahrlässig: Wer am Straßenverkehr mit einem Kraftfahrzeug teilnimmt und eine Blutalkoholkonzentration von 1,1 Promille oder höher hat, fällt unter § 316 StGB und wird bestraft. Bei einer Blutalkoholkonzentration von 0,3–1,09 Promille werden Sie bestraft, wenn zu der Alkoholisierung ein alkoholtypisches Fehlverhalten kommt. Ab 0,5 Promille handeln Sie ordnungswidrig (§ 24a StVG). Auch wenn Sie alkoholisiert Rad fahren, können Konsequenzen drohen. Wichtig ist, dass durch den Rechtsanwalt als Verteidiger die richtigen Schritte eingeleitet werden. Kurzum: immer, wenn Alkohol im Spiel ist, wird es gefährlich. Es droht stets ein Fahrverbot und der Entzug der Fahrerlaubnis. Aufgrund des ständigen Alkoholabbaus im Blut muss die Blutalkoholkonzentration bei einer späteren Blutprobe bis zur Tatzeit zurück gerechnet werden. Hier liegt ein Ansatzpunkt für den Verteidiger. Der Verteidiger hat noch andere Aspekte zu überprüfen. Zum Beispiel kann von Bedeutung sein, ob die Entnahme der Blutprobe ordnungsgemäß erfolgte und das Beweismittel daher verwertbar ist.Wenn z.B. die Polizeibeamten Fehler bei der Einholung der richterlichen Anordnung gemacht haben, kann dies zu einem Freispruch führen (§ 81a StPO). Die Möglichkeiten des Rechtsanwaltes sind im Verkehrsrecht vielfältig. Mit gezielten Beweisanträgen kann versucht werden, einen Freispruch oder eine Verfahrenseinstellung herbei zu führen. Bei Alkoholdelikten ist die Verteidigung durch einen Fachanwalt für Verkehrsrecht besonders wichtig. Wenn der strafrechtliche Vorwurf im Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall erhoben wird, hat die Verteidigung erhebliche Auswirkungen auf Fragen der Haftung aus dem Verkehrsunfall sowie auf versicherungsrechtliche Folgen. Es droht immer ein Regress der eigenen Haftpflichtversicherung gegen den Fahrer. Darüber hinaus müssen verwaltungsrechtliche Fragen im Zusammenhang mit dem Führerschein berücksichtigt werden. Stichwort: MPU. Oft entscheidet sich der Ausgang dieser Folgeprobleme mit den ersten Schritten der Verteidigung gegen den strafrechtlichen Vorwurf. Hier müssen also von dem Rechtsanwalt die richtigen Weichenstellungen vorgenommen werden. Autor: Dr. Henning Karl Hartmann, Fachanwalt für Verkehrsrecht in Oranienburg, bei Berlin, Strafverteidiger

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