Derzeit geht ein leises Raunen durch die Verkehrsanwaltspraxen. Nach dem Willen einiger Bundesländer soll nämlich schon bei einer strafrechtlichen Verurteilung von weniger als 1,6 Promille, nämlich ab 1,1 Promille, die Anordnung eines Fahreignungsgutachtens (genannt: MPU) bei der Neuerteilung der Fahrerlaubnis rechtmäßig sein. Und zwar auch beim Ersttäter, also bei einem Autofahrer, der zuvor noch nie wegen Alkohol am Steuer auffällig geworden war.
Die Gerichte sind sich quer durch Deutschland an diesem Punkt noch nicht einig, daher soll mit diesem Beitrag eine Darstellung der regional unterschiedlichen Auffassungen erfolgen.
Eine Erkenntnis vorab. Egal, wie der Streit von den einzelnen Gerichten beurteilt, wird: die sogenannte EU-Fahrerlaubnis („Führerschein aus Polen“) wird für viele immer attraktiver. Es ist für viele Betroffene inzwischen nicht mehr nachvollziehbar, warum nach einem Strafverfahren, in dem sie erstmals wegen Trunkenheit im Verkehr (§ 316 StGB) im unteren Promillebereich (1,1 bis 1,6 Promille) verurteilt worden sind, zur Beibringung einer MPU aufgefordert werden.
Eine solche Anordnung widerspricht auch in der Tat dem Gesetzeswortlaut. Einschlägig ist § 13 S.1 Nr.2 Buchst. a-c der Fahrerlaubnisverordnung (FeV). Hier ist beim Ersttäter der Wert von 1,6 Promille ausdrücklich genannt. Unter Berufen auf § 13 S.1 Nr.2 Buchst. d FeV wollen nun aber einige Führerscheinstellen und Gerichte die Auffassung durchsetzen, dass bei einer strafgerichtlichen Entziehung der Fahrerlaubnis wegen einer Fahrt unter Alkoholeinfluss ohne Weiteres auf die Notwendigkeit der Anordnung einer MPU geschlossen werden kann, und zwar weil in diesen Fällen jeweils von Alkoholmissbrauch und daher von einer Wiederholungsgefahr auszugehen ist. Angefangen hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (Beschl. v. 15.1.14, A.Z.: 10 S 1748/13, zfs 2014, S. 235.) Inzwischen hat auch das OVG Mecklenburg-Vorpommern und das VG Berlin (Urt. v. 1.7.15, DAR 2014, S.601) diese Sichtweise übernommen. Anders sieht es das VG Würzburg, das in seinem Beschluss vom 21.7.14 (A.Z.: W 6 E 14.606, DAR 2014, S.541) ausführt, dass die Anordnung der MPU nicht bei jeder strafrechtlichen Entziehung der Fahrerlaubnis ohne Hinzutreten weiterer Umstände erfolgen könne.
Hierbei weist das VG Würzburg – aus meiner Sicht völlig zu Recht – darauf hin, dass die Anordnung einer MPU unter 1,6 Promille beim Ersttäter dem ausdrücklichen Willen des Verordnungsgebers und dem Sinn und Zweck sowie dem Regelungszusammenhang des § 13 S.1 Nr.2 FeV widerspricht.
Der Bayerische VGH hat sich in seinem Beschluss vom 8.10.14 (A.Z.: 11 CE 14.1776) noch bedeckt gehalten. Hier ging es um eine Einstweilige Anordnung (=vorläufiger Rechtsschutz, § 123 VwGO) und die Richter aus Bayern haben sich darauf zurück gezogen, dass im vorliegenden Fall die Hauptsache nicht vorweggenommen werden dürfe, weshalb der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bereits hieran scheitere. Es drängt sich der Eindruck auf, dass man in Bayern noch nicht recht zur Sache Stellung nehmen will.
Spannend bleibt es bei der Frage der MPU-Anordnung in den nächsten Jahren allemal. Denn nach jüngsten dem Verfasser vorliegenden Informationen sind auch die Führerscheinstellen in Brandenburg im Mai 2015 angewiesen worden, bei Ersttätern ab 1,1 Promille vor Neuerteilung der Fahrerlaubnis eine positive MPU anzuordnen.
Und nochmals: dass durch diese Praxis die Betroffenen in Scharen den Weg ins EU-Ausland suchen, um die deutsche MPU zu umgehen, ist nun wirklich nicht verwunderlich.
Denn das Fahren in Deutschland mit einem EU-Führerschein ist unter bestimmten Voraussetzungen (hierzu erfolgen gesonderte Beiträge) legal.
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