Zur Strafbarkeit des Voyeurismus – Opfer sollten sich zivilrechtlich wehren –

(Oranienburg) In letzter Zeit kam häufiger die Frage auf, inwiefern Opfer von Voyeurismus auch Opfer einer Straftat sind. Oder anders formuliert, inwieweit sich ein Voyeur (auch „Spanner“ genannt) strafbar macht. Ist das Beobachten von Frauen, die sich ausziehe, eine strafbare sexuelle Belästigung?

Voyeure sind Menschen (meist Männer), die andere beobachten, um sich daran sexuell zu erregen. Oft geschieht dies durch „Spannen“ in Schlafzimmer von Frauen, um diese beim Entkleiden oder ähnlichen Tätigkeiten zu betrachten. Hierbei wird das Handeln des Voyeurs für das Opfer in hohem Maße als Belästigung empfunden. Zwar kann ein solches Empfinden natürlich nur entstehen, wenn die Tat entdeckt wird. Bei der Frage der strafrechtlichen Relevanz des Voyeurismus kann es aber keinen Unterschied machen, ob das Handeln des Täters von dem Opfer bemerkt wird oder nicht. Die Tathandlung bleibt schließlich die selbe.

Es stellt sich also die Frage, unter welchen Straftatbestand das – alleinige – „Spannen“ fällt, wenn keine weiteren Tathandlungen hinzu kommen, wie z.B. Berührungen oder verbale Äußerungen.

Der Blick in das Strafgesetzbuch überrascht. Denn auf den ersten Blick scheint kein einziger Straftatbestand einschlägig zu sein. Hier bietet sich als speziellste Norm noch § 201a StGB an. Dieser lautet wie folgt:

§ 201a Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen

(1) Wer von einer anderen Person, die sich in einer Wohnung oder einem gegen Einblick besonders geschützten Raum befindet, unbefugt Bildaufnahmen herstellt oder überträgt und dadurch deren höchstpersönlichen Lebensbereich verletzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine durch eine Tat nach Absatz 1 hergestellte Bildaufnahme gebraucht oder einem Dritten zugänglich macht.

(3) Wer eine befugt hergestellte Bildaufnahme von einer anderen Person, die sich in einer Wohnung oder einem gegen Einblick besonders geschützten Raum befindet, wissentlich unbefugt einem Dritten zugänglich macht und dadurch deren höchstpersönlichen Lebensbereich verletzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

Wie man sieht sind hier zwingend die Fertigung von Bildaufnahmen, also Fotos oder Videos, Voraussetzung. Schutzzweck war bei der Schaffung des § 201a StGB die Fertigung von Aufnahmen in öffentlichen Toiletten, Umkleidekabinen von Sportvereinen, Umkleiden in Kaufhäusern, im Solarium usw. Auch waren hier Übergriffe von Paparazzi der Anlass, ein Verhalten unter Strafe zu stellen. § 201a StGB ist also bei Voyeurismus in Form des bloßen „Spannens“ nicht einschlägig.

Man fragt sich also, was mit der weitläufig diskutierten „sexuellen Belästigung“ ist. Erschreckend, aber nun einmal Realität in Deutschland: dieser Straftatbestand ist dem Strafgesetzbuch unbekannt. Für die Frage der Strafbarkeit des Voyeurismus muss die Suche nach einer einschlägigen Norm also weiter gehen. Und hier bleibt eigentlich nur der Tatbestand der Beleidigung, §185 StGB. In einem vom Amtsgericht und auch Landgericht Nürnberg entschiedenen Fall ist das heimliche Fertigen eines Fotos unter den Rock einer Tischnachbarin als Beleidigung gewertet worden. Unabhängig von der Tatsache, dass es in den Fällen des Voyeurismus ja gerade nicht um das Anfertigen von Fotos geht, sondern das bloße Beobachten, erscheint diese rechtliche Wertung als Beleidigung (§ 185 StGB) nicht haltbar. Eine Beleidigung verlangt eine – wie auch immer – geartete Kundgabe einer Missachtung. Das liegt in den Fällen von Spannern aber gerade nicht vor, vielmehr geht es ja im Ergebnis um die Verdeckung aller eigenen Aktivitäten, die eben nicht von aussen bemerkt werden sollen. Daher wird in der juristischen Fachliteratur und Rechtsprechung auch überwiegend die Auffassung vertreten, dass der Voyeurismus in Form des bloßen Spannens auch nicht unter den Straftatbestand der Beleidigung fällt (vgl. z.B. Fischer, § 185 Rn. 11c). In dieser Konsequenz ist letztlich das heimliche Beobachten stets keine Beleidigung (Fischer, § 185 Rn. 11c; OLG Düsseldorf in NJW 2001, 3562, 3563; LG Darmstadt in NStZ-RR 2005, 140). Das erkannte denn auch dann das OLG Nürnberg (1 St OLG Ss 219/10), das wohl zutreffend die Richter der Ausgangsinstanzen in die Schranken wies mit den Worten:

Die Funktion der Beleidigungsdelikte ist es nicht, Lücken zu schließen, die moralisches Empfinden nicht hinnehmen möchte. § 185 StGB ist insbesondere kein „Auffangtatbestand“, der es erlauben würde, Handlungen allein deshalb zu bestrafen, weil sie der Tatbestandsverwirklichung eines Sittlichkeitsdelikts nahekommen (vgl. BGHSt 36, 145 [149]; OLG Zweibrücken NJW 1986, 2960 [2961]; Hilgendorf aaO., § 185 Rn. 31). Zu einer Änderung dieser Rechtslage ist allein der Gesetzgeber befugt. Mit anderen Worten: man kann halt nicht alles bestrafen, was einem verwerflich erscheint, es braucht hierzu auch einer gesetzlichen Grundlage. Dies ist eines der

So überraschend es erscheinen mag, der bloße Voyeurismus in Form des Spannend und ohne andere Tätigkeiten ist ohne strafrechtliche Relevanz.

Sind die Opfer also schutzlos? Ganz klare Antwort: nein. Denn das zuvor gesagte bedeutet keinen Ausschluss von Ansprüchen der Geschädigten, die zumindest in ihrem Persönlichkeitsrecht verletzt wurde und somit einen Unterlassungs-, Schadensersatz-, und Schmerzensgeldanspruch hat. Es ist damit auch die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs durch eine Abmahnung möglich, wobei Schmerzensgeld-/Schadensersatzansprüche ggfs. schnell beigetrieben werden können.