Rechts-Journal – Seite 6 von 12 – Onlinerechtsberatung

Geblitzt: Tempomat als Entschuldigung nicht tauglich.

Bei Geschwindigkeitsverstößen gilt – genau wie im Strafverfahren – dass die Tat unter bestimmten Umständen gerchtfertigt sein kann. So z.B. in dem vielzitierten, Interessanten Fall „Asamoah“, der hier zu finden ist: http://www.ra-hartmann.de/der-fall-asamoah-dr.-hartmann-partner.html?

In diesem Themenbereich spielt auch folgende Frage. Häufig berufen sich Autofahrer darauf, dass es wegen eines Vertrauens auf den Tempomat ihres Fahrzeuges zu einem Geschwindigkeitsverstoß gekommen ist. So wie in einem kürzlich entschiedenen Fall: Nach einem Überholvorgang bremste der Betroffene nicht, sondern fuhr ungebremst weiter in der Hoffnung, der Tempomat werde die Geschwindigkeit wieder regulieren. In diesem Augenblick wurde er von einer mobilen Geschwindigkeitsmessanlage (Vitronic Poliscan Speeed) „geblitzt“. Das Urteil des Amtsgerichts Lüdinghausen vom 12.5.14 (19 OWi-89 Js 511/14-46/14) stellt klar, dass der Tempomat keine Rechtfertigung sein kann. Wenn die Messung nicht fehlerhaft ist, ist in diesen Fällen ist wegen vorsätzlichen Geschwindigkeitsverstoßes zu verurteilen. Das Amtsgericht Lüdinghausen schenkte zwar noch den Schilderungen des Betroffenen zu der Verkehrssituatioon und dem Überholvorgang Glauben. Die geschilderte Verkerhrssituation rechtfertigt jedoch nicht seine zu hohe Geschwindigkeit nach dem Überholen. Fahrzeugführer war immer noch der Kläger selbst und nicht der Tempomat. Dieser kann keinesfalls als Begründung für eine Geschwindigkeitsübertretung herhalten. Vielmehr gab der Fahrer mit seinen Ausführungen zu, die Ordnungswidrigkeit bewusst begangen zu haben. Das Gericht verurteilte daher wegen vorsätzlicher Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit.

Dr. Henning Hartmann, Oranienburg
Fachanwalt für Strafrecht
Fachanwalt für Verkehrsrecht

 

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Rechtmäßige Kündigung eines Alkoholkranken

Das Arbeitsgericht Berlin hatte am 3.4.14 über die Kündigung eines Berufskraftfahrers (Lkw-Fahrers) zu entscheiden, der anerkannt alkoholkrank war und mit seinem Lkw bei einer Blutalkoholkonzentration von 0,64 Promille einen Unfall verursacht hatte. Das Gericht erklärt, dass die Kündigung im vorliegenden Fall  wirksam sei. Die Pflichtverletzung sei vorliegend dermaßen schwer und vorwerfbar, dass ihn seine Alkoholkrankheit nicht entlaste.   Durch den Unfall war der Unfallgegner verletzt worden. Weiterhin ist ein hoher Sachschaden entstanden. Gegen die ausgesprochene Kündigung hatte der betroffene Arbeitnehmer innerhalb der vorgeschriebenen Dreiwochenfrist Kündigungsschutzklage eingereicht. Das Arbeitsgericht hatte somit über die Frage zu entscheiden, ob die Kündigung gerechtfertigt war, oder ob das Arbeitsverhältnis fortgesetzt werden muss. Eine solche Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ist nach Auffassung des Gerichts dem Arbeitgeber jedoch nicht zuzumuten. Denn die Pflichtverletzung des alkoholisierten Kraftfahrers sei dermaßen gravierend, dass ein Berufen auf die Alkoholkrankheit zurück stehen müsse. Die Klage wurde daher erstinstanzlich abgewiesen.   Auch eine Abmahnung sei vor Ausspruch der Kündigung nicht erforderlich gewesen. Denn das Fehlverhalten wiege derart schwer, dass nach Abwägung aller Umstände eine vorhergehende Abmahnung nicht erforderlich gewesen sei.   Rechtskräftig ist die Entscheidung des Arbeitsgerichts Berlin, die zum Aktenzeichen 24 Ca 8017/23 erging, gleichwohl noch nicht. Denn die Berufung wurde ausdrücklich zugelassen.      

Dr. Henning Hartmann, Oranienburg
 
Fachanwalt für Strafrecht
 
Fachanwalt für Verkehrsrecht
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Nachweis eines Handyverstoßes nicht möglich

Das OLG Thüringen hat kürzlich ein Interessantes Urteil zu der Frage gefällt, wann ein Verstoß gegen das Verbot, am Steuer zu telefonieren, mit der erforderlichen Sicherheit nachgewiesen werden kann. Dies ist für viele Autofahrer von Bedeutung. Schließlich geht es hierbei nicht nur um ein Bußgeld, sondern auch um einen Punkt in Flensburg. Und der kann seit Inkrafttreten der Flensburger Punktereform bekanntlich teuer werden.

 

Kernsatz: die bloße Beobachtung durch Polizeibeamte, dass der Beschuldigte eine Bewegung gemacht hat, die auf ein Telefonieren hindeutet, reicht NICHT aus. Es bedarf nach Auffassung des OLG Thüringen vielmehr eindeutiger Beweise (Az.: 1 Ss Rs 26/13) für eine Verurteilung. Ansonsten hat das Amtsgericht einen Freispruch zu fällen.

Aber nun zu diesem konkreten Fall, an dem man die angesprochenen Prinzipien sehr gut nachvollziehen kann. Folgendes war passiert: Bei einer Kontrolle hatten zwei Polizeibeamte einen Fahrzeugführer beschuldigt, während der Fahrt mit einem Mobiltelefon „hantiert“ zu haben. Die Kontrolle des Autofahrers durch die Polizisten habe ersterer dann bemerkt. Beim Anblick der Beamten habe er seine Hand schnell vom Ohr genommen und in Richtung der Mittelkonsole bewegt.

Gegen den Bußgeldbescheid legte der Betroffene fristgerecht durch seinen Anwalt Einspruch ein. Das Amtsgericht verurteilte in der Höhe des Bußgeldbescheides. Doch der Betroffene, der im Besitz einer Rechtsschutzversicherung war, gab nicht auf. Er legte Rechtsbeschwerde in Form der Zulassungsbeschwerde ein. Und er hatte Erfolg.  

Interessant: Das Thüringer Oberlandesgericht hob das Urteil der Vorinstanz, in dem die Entscheidung der Bußgeldstelle im Hinblick auf die Zeugenaussagen der Polizeibeamten bestätigt worden war, auf. Für eine Verurteilung reichte ihm allein die Beschreibung, der Autofahrer habe   „eine Handbewegung in Richtung Ohr gemacht, die typisch für die Nutzung eines Mobiltelefons ist“,   gerade nicht aus. Hierfür müssten schon konkretere Beweismittel vorgelegt werden. Ansonsten sei entsprechend dem Grundsatz „in dubio pro reo“ zugunsten des Betroffenen zu entscheiden. Und das bedeutet nun einmal, ob es den Polizeibeamten gefällt oder nicht, Freispruch bzw. Einstellung des Verfahrens.  

So sei es vorliegend gewesen. Obwohl die Polizeibeamten den Beschwerdeführer angehalten und die geschilderten Beobachtungen gemacht hatten, nämlich das „Hantieren“ mit einem Gegenstand, konnten sie keinen eindeutigen Beweis für einen Verkehrsverstoß erbringen. Die Folge: Verfahrenseinstellung. Die Kosten des Verfahrens gingen ebenfalls zu Lasten der Staatskasse.  

Eine höchst begrüßenswerte Entscheidung, die wieder einmal deutlich macht, dass die Ermittlungsbehörden (Staatsanwaltschaft, Polizei) es sich nicht zu einfach machen dürfen. Sie müssen gründlich ermitteln, wenn sie die Bestrafung eines Bürgers herbei führen wollen. Ansonsten hat eine solche Bestrafung zu unterbleiben.   Grundsätzlich ratsam ist in diesem Zusammenhang der Abschluss einer Rechtsschutzversicherung. Diese trägt die Kosten des Verfahrens, ungeachtet seines Ausgangs. So kann jede Entscheidung der Bußgeldstele – ohne Risiko, auf Kosten hängen zu bleiben – angegriffen werden.  

Autor: Dr. Henning Hartmann, Oranienburg, bei Berlin
Fachanwalt für Strafrecht
Fachanwalt für Verkehrsrecht

 

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Messungen mit Gerät ESO 3.0 falsch?

Bei dem jüngsten sogenannten „Blitzermarathon“ im September 2014 wurden bundesweit tausende von Autofahrern hinsichtlich der gefahrenen Geschwindigkeit gemessen. Viele wurden zu Bußgeldern und Fahrverboten durch Bußgeldbescheide „Vor“-verurteilt. Warum „Vorverurteilt“? Ganz einfach, weil die Bußgeldstellen gar kein Urteil sprechen können. Das kann nur der Amtsrichter. Damit der Betroffene in dieses Verfahren kommt, muss er binnen einer Frist von zwei Wochen Einspruch gegen den Bußgeldbescheid einlegen. Wohlgemerkt, durch den Einspruch kann der Betroffene das Ergebnis nur zu seinen Gunsten beeinflussen, er kann also durch die Einspruchseinlegung nur gewinnen. Anders ausgedrückt, im schlechtesten Falle kann der Einspruch zu jedem beliebigen Zeitpunkt zurück genommen werden, so dass es bei dem Einspruch bleibt. Dies gilt insbesondere bei Eingreifen einer Rechtsschutzversicherung: dann kann der Bußgeldbescheid komplett ohne das Risiko entstehender Kosten angegriffen werden. Denn die Rechtsschutzversicherung für den Bereich Verkehrsrecht tritt für sämtliche Anwalts- Gerichts- und Sachverständigenkosten ein.  

 

Doch zurück zu der Frage der Angreifbarkeit der Messungen. Anlässlich des jüngsten Blitzermarathons kam auch wieder die Frage auf, ob Messungen mit bestimmten Geschwindigkeitsmessgeräten überhaupt vor Gericht verwertbar sind. Denn es kann nicht oft genug darauf hingewiesen werden: nicht die Frage, ob jemand überhaupt zu schnell gefahren ist, steht im Raum. Sondern ob es ihm mit einer für das Straf- bzw. Bußgeldverfahren hinreichenden Sicherheit nachgewiesen werden kann. Schließlich ist es – anders als zum Beispiel im Zivilrechtsstreit – nicht der Betroffene, der irgendetwas (nämlich seine Unschuld) beweisen muss. Nein, die Ermittlungsbehörde hat vollständig und mit belastbaren Beweismitteln nachzuweisen, dass der Tatbestand erfüllt worden ist. Dies trifft im Bußgeldverfahren genauso zu, wie im Strafverfahren. Gelingt dieser Nachweis nicht mit der hinreichenden Sicherheit, ist der Betroffene nach dem Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten“ freizusprechen.  

 

Sehen Sie nun folgenden interessanten Beitrag zur Frage der beweissicheren Verwertung von Geschwindigkeitsmessungen:   http://www1.wdr.de/fernsehen/regional/westpol/  

 

Besonders in der Kritik steht hiernach ein Lichtschranken-Messgerät des Herstellers Eso GmbH, nämlich das Gerät mit der Bezeichnung „ESO 3.0“. Es handelt sich um ein Lichtschranken-Messgerät, also kein Laser- oder Radarmessgerät, sondern die Messwertermittlung erfolgt anhand von Daten aufgrund von Durchfahren von mehreren Lichtschranken. Die Zweifel im Hinblick auf die Verwertbarkeit von Messungen mit diesem Gerät ergeben sich im Wesentlichen aus insgesamt drei Gesichtspunkten. Zum einen haben Amtsgerichte schon wiederholt bemängelt, dass die Ermittlung des Messwertes, also der rechnerische Vorgang, bei dem Gerät ESO 3.0 auch für Sachverständige nicht nachvollziehbar ist. Die hierfür erforderlichen Datensätze sind nicht einsehbar und daher auch nicht überprüfbar.

Weiterhin haben Auswertungen, soweit die Datensätze denn einmal zur Verfügung gestellt wurden, folgendes gezeigt. Bei der Auswertung ging das Messgerät von mehreren in Frage kommenden Messdaten von dem jeweils schlechtesten Wert, also demjenigen, der sich zu Lasten des Betroffenen auswirkt. Dies ist ein klarer Verstoß gegen den Grundsatz, dass im Zweifel zugunsten des Betroffenen entschieden werden soll (s.o.).

Schließlich haben Sachverständige für das Gerät ESO 3.0 nachgewiesen, dass die Datensätze ohne weiteres manipuliert werden können, dass beispielsweise die Daten des Betroffenen (Kennzeichen des Fahrzeuges usw.) problemlos ausgewechselt werden können. Ein weiterer Grund, sich gegen jeden Vorwurf eines Geschwindigkeitsverstoßes zu wenden und diesen gründlich überprüfe zu lassen. Oft genug mussten die Gerichte in diesen Fällen einen Freispruch ausurteilen oder haben das Verfahren eingestellt.

Autor: Dr. Henning Hartmann, Oranienburg, bei Berlin
Fachanwalt für Strafrecht
Fachanwalt für Verkehrsrecht
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Gilt 30 km/h auch am Feiertag?

Fast täglich ergehen in Deutschland wichtige Entscheidungen der Gerichte zum Thema Verkehrsrecht. Eine Auswahl finden Sie auf unserer Homepage (www.ra-hartmann.de). Ich hoffe, Ihnen durch die hier zitierten Entscheidungen einen Überblick über die besonders relevanten Entwicklungen geben zu können. Heute mal wieder ein interessantes Urteil aus dem Bereich Verkehrsordnungswidrigkeiten. Im Rheinland (genau gesagt in Wuppertal) befand sich an einer Schule ein Geschwindigkeitsbegrenzungsschild, auf „30 km/h“, das wir alle gut kennen. Es enthielt den Zusatz „Mo.-Sa 7-18 h“. An einem (in Nordrhein-Westfalen) gesetzlichen Feiertag, nämlich Christi Himmelfahrt (9. Mai 2013), führten Polizeibeamte dann eine Geschwindigkeitsmessung vor der Schule durch. Klar, es geht ja um die Verkehrssicherheit. Geblitzt wurde unter anderem der Betroffene. Ihm kam das jedoch merkwürdig vor. „Mo-Sa, 7-18h“, kann damit auch am Feiertag gemeint sein? Gegen den Bußgeldbescheid, aus dem sich eine Geldbuße in Höhe von 25,00 € ergab, hat der Betroffene folgerichtig Einspruch eingelegt. Und wurde von dem AG Wuppertal freigesprochen! Lesen Sie die interessante Begründung:  Nach Auffassung des Gerichts galt die angeordnete Geschwindigkeitsbeschränkung auf 30 km/h an dem Tattag, also dem Feiertag, nicht. Vielmehr war davon auszugehen, dass die übliche innerörtliche Geschwindigkeitsbeschränkung von 50 km/h,  die innerorts immer gilt (§ 3 Nr. 1 StVO) ergibt, betrug. Diese war vom Betroffenen nicht überschritten worden. Maßgeblich war aus Sicht des Gerichts, dass vorliegend keine uneingeschränkte Geschwindigkeitsbeschränkung auf 30 km/h angeordnet wurde, sondern diese steht in Kombination mit den verwendeten Zusatzschildern. Zwar spricht der Zusatz „Mo.-Sa., 7-18 h“ zunächst dafür, dass eine Beschränkung allein auf Werktage erfolgen sollte. Vorliegend besteht aber eine so enge, für jeden Verkehrsteilnehmer deutlich erkennbare Verknüpfung zwischen der Geschwindigkeitsbeschränkung und dem Zusatzzeichen „Schule“, dass klar wird: Es sollen Schüler geschützt werden! Da an Feiertagen nun aber keine Schule stattfindet, sind daher auch konsequent diese Feiertage von der Geschwindigkeitsbeschränkung ausgenommen. Es erfolgte Freispruch des Betroffenen. Pech für die anderen geblitzten Autofahrer, die keinen Einspruch eingelegt haben: deren Bußgeldbescheide wurden rechtskräftig, sie müssen zahlen und ggf. einen Punkteeintrag in Flensburg hinnehmen. Man sieht auch hier wieder: Einspruch sollte im Zweifel IMMER eingelegt werden. Interessant: Anders hat in einer vergleichbaren Konstellation das für Brandenburg zuständige OLG Brandenburg entschieden. In dessen Entscheidung vom 28.05.2013 (Az.: [2 Z] 53 Ss-OWi 103/13 [50/13]). Denn in dem Fall, den das Oberlandesgericht zu bewerten hatte, war neben dem Schild „30 km/h“ und dem Zusatzzeichen „Mo.-Fr. 6-18 h“ ein weiteres Zusatzzeichen, nämlich „Kinder“ angebracht. In diesem Fall, so das OLG, geht es nicht darum, dass die Geschwindigkeitsbeschränkung einem ungehinderten Besuch einer Einrichtung dienen soll – und daher nur an bestimmten Tagen gilt. Denn es ist auch an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen mit spielenden Kindern zu rechnen. Der Schutzzweck „Kinder“ gilt also an diesen Tagen fort, während es bei dem Schutzzweck „Schule“ anders aussieht. Eine durchaus nachvollziehbare Interpretation.

Dr. Henning Hartmann
 
Fachanwalt für Strafrecht Fachanwalt für Verkehrsrecht
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Schmerzensgeld für Opfer nach Raub

In einem Strafverfahren kann das Opfer gegen den Täter im Wege des sogenannten Adhäsionsverfahrens Schmerzensgeldansprüche geltend machen. Dies neben der Strafverfolgung, die bekanntlich Sache der Ermittlungsbehörde, mithin der Staatsanwaltschaft, ist. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte nun in seinem Beschluss vom 8.1.14 ein Urteil des Landgerichts (LG) Kleve (A.Z.: 3 StR 372/13) zu überprüfen, in dem folgender Sachverhalt beurteilt werden musste. Der im Hinblick auf die Schmerzensgeldzahlung zu beurteilende Täter hatte als Auftakt einer schweren Misshandlung das Opfer mit einem Faustschlag gegen die Schläfe ins Taumeln gebracht. Dieser Faustschlag war der Anfang eines schweren Tatgeschehens, in dessen Verlauf der Kläger von zwei weiteren Mitangeklagten schwer misshandelt wurde. Sodann wurde ihm seine Geldbörse weggenommen. Die schweren und sogar lebensgefährlichen Misshandlungen durch die Mitangeklagten wollte der hier zu beurteilende Täter jedoch nicht, deshalb wurde er durch das Landgericht Kleve auch nur wegen Raubes (§ 249 StGB), nicht jedoch wegen besonders schweren Raubes verurteilt. Dennoch sollte er nach Ansicht des Landgerichts ein Schmerzensgeld in gleicher Höhe wie die beiden Mittäter an das Opfer zahlen, weil er, so das LG, haftungsrechtlich für die „besonders üble Behandlung“ des Geschädigten durch die beiden Mitangeklagten einzustehen habe. Diese Begründung ist nach Ansicht des BGH nicht haltbar. Zwar hält der BGH für den vorliegenden Fall, ebenso wie das Landgericht Kleve, ein Schmerzensgeld von 8.000,- Euro unter Berücksichtigung der Tat und deren Folgen, auch im Hinblick auf die Genugtuungsfunktion, für angemessen. Es handelte sich schließlich um eine vorsätzliche Körperverletzung. Damit habe das Landgericht aber zur Bemessung des Schmerzensgeldes weniger auf die Tatfolgen, als auf das vorsätzlich verwirklichte Handlungsunrecht abgestellt. Gerade aber die besonders schweren – und lebensgefährlichen – Angriffe gegen den Kopf und den übrigen Körper des Opfers seien dem Angeklagten nicht als vorsätzlich begangen zuzurechnen. Soweit das LG auch ihn wegen vorsätzlicher Körperverletzung (§ 223 StGB) verurteilt habe, betreffe dies lediglich den ausgeführten Faustschlag, nicht jedoch die zur Grundlage des Schmerzensgeldanspruches gemachte „besonders üble Behandlung“ des Geschädigten durch die Mitangeklagten. Das Schmerzensgeld, das der hier zu beurteilende Angeklagte zu zahlen habe, kann daher nicht in gleicher Höhe wie bei seinen Mittätern zu beziffern sein. Mit anderen Worten, der hier zu beurteilende Angeklagte war nach Ansicht des BGH im Hinblick auf das zu zahlende Schmerzensgeld milder zu behandeln, als seine Mittäter. Bei dem Strafmaß war dies auch der Fall: Er erhielt „nur“ zwei Jahre Freiheitsstrafe auf Bewährung, während seine Mitstreiter zu Freiheitsstrafen von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt wurden, die sie auch absitzen müssen. Zu einer Zurückverweisung der Sache an das Landgericht kam es gleichwohl nicht. Denn die oben ausgeführten Erwägungen betrafen nur den zivilrechtlichen Teil der Sache, nicht aber die strafrechtliche Beurteilung.

Autor: Dr. Henning Hartmann
Fachanwalt für Strafrecht
Fachanwalt für Verkehrsrecht
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Führerschein weg wegen Falschparken – geht das?

Klare Antwort: ja! Zumindest in Deutschland. Und zwar erfolgt die Entziehung nicht durch den Strafrichter, sondern durch die Führerscheinstelle. Regelmäßigen Falschparkern droht die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung (MPU) und in der Folge auch der Führerscheinentzug. Häufig wird unterschätzt, dass nicht nur in einem Straf- oder Bußgeldverfahren der Führerschein eingezogen werden kann. Im Anschluss an ein solches Verfahren wird die Akte der Führerscheinstelle vorgelegt. Und diese entscheidet dann – erneut – über die Frage der Fahreignung bei dem Verkehrsteilnehmer. Bestes Beispiel: Bei dem, der häufig falsch parkt und dabei oft erwischt wird, können Zweifel an der Fahreignung bestehen. Die Folge: Eine Anordnung einer MPU. Wird diese dann nicht bestanden oder fristgerecht absolviert, ist der Führerschein weg. In solchen Fällen wird dem Fahrer ein „gespaltenes Verhältnis zur Straßenverkehrsordnung“ attestiert. Übersetzt bedeutet dies: wer es beim Parken nicht so genau nimmt, handelt wahrscheinlich auch in anderer Hinsicht rücksichtslos. Eine gewagte These, oder? Nun aber konkret: Erst wenn man etwa 60 Strafzettel in einem Jahr sammelt, also circa einen pro Woche, wird es eng. Es hilft dann aber auch nicht, dass die Knöllchen stets fristgerecht bezahlt wurden. Ebenfalls nicht entscheidend ist, ob der Halter auch der Fahrer ist: Denn der Halter haftet für den Fahrer bei ruhendem Verkehr. Zwar kann der Halter auf seine Unschuld beharren – dann muss er den Fahrer allerdings auch nennen. Doch einen kleinen Trost gibt es für alle Vielfachsünder: Punkte in Flensburg gibt es nicht.

Dr. Henning Hartmann
Fachanwalt für Strafrecht
Fachanwalt für Verkehrsrecht  
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Unleserliche Richterunterschrift unter Urteil: Rechtsbeschwerde hat Erfolg!

Jedes Urteil muss vom Richter unterschrieben werden. Klar, denn schließlich soll der Richter zu seiner Entscheidung stehen, und dafür gehört nun einmal seine Unterschrift. Und zwar eigenhändig. Für das Strafverfahren regelt dies § 275 II StPO, aber im Bußgeldverfahren – und dies wird oft vergessen – sorgt die Verweisung in § 46 I OWiG für die gleiche Geltung. Sind bei der Unterschrift nun keinerlei Buchstaben erkennbar und besteht die Unterschrift lediglich aus der „Verwendung von Formen und Linien“, fehlt es an einer Unterschrift im Sinne dieser Vorschriften. Es handelt sich nicht um wirkliche „Schrift“, entschied nun nach KG Berlin (Beschluss vom 27.11.13, A.Z.: 3 Ws (B) 535/13 – 122 Ss 149/13). Der Betroffene hatte gegen ein  Urteil des Amtsgerichtes (250 ,- Euro Geldbuße, ein Monat Fahrverbot) Rechtsbeschwerde eingelegt, in Form der allgemeinen Sachrüge. Dies führt zur Überprüfung auf materiell-rechtliche Fehler. Voraussetzung für eine eine solche Überprüfung ist allerdings, dass ein vollständiges schriftliches Urteil (§§ 275 II StPO, 46 I OWiG) vorliegt. Dies ist nicht der Fall, wenn der Richter lediglich seinen „Schnörkel“ darunter setzt. Dann liegt ein sachlich-rechtlicher Fehler des Urteils vor. Die Rechtsbeschwerde hatte daher Erfolg, die Sache wurde zur erneuten Verhandlung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurückverwiesen. Dies hat in ganz ähnlicher Weise auch der BGH zuvor entschieden: vgl. BGH, Urteil vom 11.2.76 (A.Z.: VIII ZR 220/75); BGH, Beschluss vom 17.11.09 (A.Z.: XI ZB 6/09), NJW-RR 2010, S. 358). Die Entscheidung dürfte manchem Amtsrichter Kopfschmerzen bereiten. Und der Verteidigung in Bußgeldsachen eröffnet es wieder ein Einfallstor, um Entscheidungen über die Rechtsbeschwerde angreifen zu können.

 

Dr. Henning Hartmann, Fachanwalt für Verkehrsrecht und Strafverteidiger in Oranienburg bei Berlin

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Abschleppen zulässig trotz Zettel „komme gleich wieder“?

Einige interessante Entscheidungen gibt es zu der Frage, wann das Umsetzen (genannt: „Abschleppen“) eines Fahrzeuges erlaubt ist, wenn sich in dem Fahrzeug ein Zettel befindet, dass der Fahrer nur kurz weg ist und unter einer bestimmten Telefonnummer erreichbar ist. Das Verwaltungsgericht Hamburg hat z.B. in einer Entscheidung vom 29.9.2000 (A.Z.: 3 VG 268/2000) entschieden, dass in einer solchen Situation das Abschleppen nicht einfach angeordnet werden kann. Einige Gerichte haben sich dem angeschlossen. Es soll schon erst der einfachste, preiswerteste Weg für die Beseitigung der Verkehrsbeeinträchtigung beschritten werden. Und der besteht nun einmal darin, den Kfz-Halter einfach anzurufen. Anstatt das Umsetzen anzuordnen. In einem aktuellen Fall hatte nun ein Busfahrer seinen Bus vor einem Taxistand abgestellt und einen Zettel mit seiner Handynummer hinterlassen. Soweit, so gut. Aber dann der Knackpunkt: auf einen Anrufversuch des Amtswalters konnte der Fahrer nicht erreicht werden. Unter diesen Voraussetzungen sei das Umsetzen in jedem Falle rechtmäßig, so das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 9.4.14 – A.Z. 3 C 5.13). In dem entschiedenen Fall war die Abschleppmaßnahme zwar noch nicht umgesetzt, aber schon eingeleitet. Und es ging um die Frage, ob der Halter die Kosten tragen muss. Dies ist der Fall, so das BVerwG. Und zwar schon deshalb, weil der erste Anruf nicht zu dem gewünschten Erfolg führte. Mit dem Abschleppen müsse nur gewartet werden, wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte damit zu rechnen ist, dass der Verantwortliche aufgrund des Anrufes kurzfristig das Fahrzeug selbst wegfährt. Dies ist nicht der Fall, wenn er nicht sofort telefonisch erreicht wird. Im vorliegenden Fall war das Pech: nur zehn Minuten nach dem Anordnen der Maßnahme erschien der Busfahrer – zu spät, die Umsetzkosten mussten bezahlt werden.  Dr. Henning Karl Hartmann, Fachanwalt für Verkehrsrecht

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Schmerzensgeld im Strafverfahren

Das Strafverfahren dient der Ahndung der Tat gegen den Täter, nicht den Ansprüchen des Opfers. Dies ist zumindest die Grundeinteilung nach dem deutschen Rechtssystem. Wenn das Opfer Geld für die erlittenen Verletzungen einklagen möchte, hat dies grundsätzlich vor den Zivilgerichten (Amtsgerichte bei Ansprüchen bis 5.000 Euro, Landgerichte bei höheren Ansprüchen) zu erfolgen.

Eine Ausnahme gibt es allerdings. Die Rede ist von dem sogenannten Adhäsionsverfahren. Hört sich kompliziert an, ist es aber gar nicht. Dieses Verfahren sieht schlicht und ergreifend vor, dass das Opfer einer Straftat in dem Strafverfahren gegen den Täter seine Ansprüche mit geltend machen kann, wenn es einen entsprechenden Antrag stellt (§ 404 I StPO). Dann richten sich die Darlegung der Ansprüche und die Ausurteilung aber nach den zivilrechtlichen Anspruchsgrundlagen. Also sozusagen zwei Verfahren in einem: Der Strafrichter hat einerseits Strafrecht anzuwenden, andererseits aber auch Zivilrecht bei der Beurteilung der Ansprüche des Opfers. Und hier liegt auch der Grund dafür, dass die Strafrichter das Stellen dieser Anträge meist gar nicht „mögen“. Sie müssen sich auf einer fremden Spielwiese betätigen, und zwar möglichst noch rechtsmittelfest. Gleichwohl (oder vielleicht gerade deshalb, s.u.) hat der Verfasser dieses Beitrags mit dieser Art der Anspruchsgeltendmachung im Adhäsionsverfahren recht gute Erfahrungen gemacht.

Schauen wir einmal genauer hin. Der erste Vorteil liegt auf der Hand: statt zwei Verfahren führen zu müssen, hat man mit einem einzigen Verfahren sowohl die strafrechtliche, als auch die zivilrechtliche Seite über die Bühne gebracht. Dies sollte man nicht unterschätzen, und zwar insbesondere im Hinblick auf die psychische Belastung für das Opfer. Es kann im Einzelfall schon sinnvoll sein, dem Opfer bzw. Geschädigten eine unnötig hohe Anzahl von Verhandlungstagen zu ersparen. Denn gleich ob im Zivil- oder Strafverfahren, das Opfer muss sich doch mit den Geschehnissen erneut befassen und sie vor dem geistigen Auge „hervorholen“.

Warum nicht diese Belastung auf ein Minimum begrenzen? Und hier setzt nahtlos der zweite Gesichtspunkt an. Wenn nämlich im Strafverfahren eine Einigung über eine dem Opfer zu zahlende Entschädigung erzielt wird, dann ist dies in mehrfacher Hinsicht absolut wünschenswert. Zum einen wird das Opfer zufrieden sein, schnell eine Entschädigung zu erhalten und – ebenso schnell – mit der Sache „abschließen“ zu können. Zum anderen kann diese Erledigung der Sache auch für den Angeklagten Vorteile bringen. Das Gericht kann nämlich sein Bemühen darum, für seine Tat eine angemessene Entschädigung zu leisten, bei der Strafzumessung honorieren. Oder auch die Zahlung der Entschädigung als Bedingung für die Einstellung des Verfahrens gem. § 153a II StPO (Verfahrenseinstellung gegen Auflage) machen. Zwischenergebnis: Das Adhäsionsverfahren stellt in den geschilderten Fällen einen geradezu klassischen Vertreter des „Zwei Fliegen mit einer Klappe“ Prinzips dar.

Ein Wort noch zu den entstehenden Rechtsanwaltsgebühren. In vielen Fällen ist der Rechtsanwalt als Pflichtverteidiger des Beschuldigten beigeordnet. Umstritten ist nun die Frage, ob sich die Bestellung des Rechtsanwalts als Pflichtverteidiger auch auf Tätigkeiten im Adhäsionsverfahren erstreckt. Insofern wird aber inzwischen überwiegend verlangt, dass eine besondere Beiordnung des (Pflicht-) Verteidigers im Adhäsionsverfahren erfolgt, damit die Kosten von der jeweiligen Landeskasse getragen werden (vgl. u.a. OLG Karlsruhe StraFo 2013, S. 84 = StV 2013, S. 690; OLG Düsseldorf StRR 2012, S. 283; LG Osnabrück JurBüro 2013, S. 85; anderer Auffassung: OLG Rostock StraFo 2011, S.378; OLG Schleswig StraFo 2013, S. 305). Für Rechtsanwälte weiterhin interessant: eine 2,0-Verfahrensgebühr nach Nr. 4143 VV RVG fällt an, wenn Nebenkläger und Angeklagter in der Hauptverhandlung einen zivilrechtlichen Vergleich über Ansprüche des Nebenklägers wegen eines durch die Straftat erlittenen Schadens schließen. Ein Förmlicher Antrag gem. § 404 I StPO ist hierfür nicht erforderlich. Dies folgt aus Vorbemerkung 4 VV RVG und bedeutet konkret: auch wenn kein förmliches Adhäsionsverfahren nach § 404 StPO vorausgegangen ist, kann eine (2,0) Verfahrensgebühr nach Nr. 4143 VV RVG sowie eine (1,0) Einigungsgebühr nach Nr. 1003 VV RVG verdient werden, wenn Ansprüche des Nebenklägers im Strafverfahren mit verglichen werden.

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