Keine Helmpflicht für Radfahrer im Zivilprozess!

Immer häufiger wird der Ruf nach einer Mithaftung laut, wenn ein Radfahrer ohne Helm in einen Unfall verwickelt ist. (Wobei streng genommen von „Rad Fahrenden“ gesprochen werden muss, seit die StVO geschlechtsneutral formuliert wurde, vgl. http://www.ra-hartmann.de/es-gibt-in-deutschland-keine-radfahrer-mehr-dr-hartmann-partner-dr.-hartmann-partner.html ).

So hatte ein Urteil des OLG Schleswig (DAR 2013, S.470) für Aufsehen gesorgt. Dieses Gericht hatte erstmals einer Radfahrerin, die sich bei einem Verkehrsunfall Kopfverletzungen zugezogen hatte, ein Mitverschulden unterstellt, weil sie bei dem Unfall keinen Fahrradhelm trug. Dieses Mitverschulden wurde mit 20% bemessen.

Der BGH hat dann mit Urteil vom 17.6.14 (A.Z.: VI ZR 281/13) der Revision stattgegeben und an die bisherige Rechtsprechung bestätigt, wonach ein Mitverschulden nicht in Betracht kommt.

Selbst wenn der Aufprall auf den Kopf bei einem Fahrradunfall durch einen entsprechenden Helm abgemildert wird, was als erwiesen gelten kann, führt diese objektive Mitverursachung des Schadens nicht zu einer Anspruchskürzung. Eine solche könne sich nur aus dem Gesichtspunkt des Mitverschuldens ergeben (§ 254 BGB). Mitverantwortlichkeit liegt gleichwohl gemäß den Ausführungen des BGH nur vor, wenn der Geschädigte bei der Entstehung des Schadens „in zurechenbarer Weise mitgewirkt hat“. Dies wiederum sei nur dann zu bejahen, wenn der Geschädigte gegen das Gebot verstößt, sich so sorgfältig zu verhalten, wie es „ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Vermeidung eigenen Schadens tun würde“. Hierauf allein komme es an, da die Rechtsordung eine Selbstgefährung und Selbstbeschädigung grundsätzlich nicht verbiete.

Der Betroffene muss sich also „verkehrsrichtig“ verhalten. Dies bestimmt sich nicht nur nach den Regeln der Straßenverkehrsordnung (die eine Helmpflicht bekanntlich nicht kennt), sondern auch durch die konkreten Umstände und Gefahren im Verkehr sowie nach dem, was den Verkehrsteilnehmern zumutbar ist, um die Gefahren möglichst gering zu halten. Hier knüpft der BGH nun an das „allgemeine Verkehrsbewusstsein“ zum Unfallzeitpunkt an und stellt klar, dass dies im Jahre 2011 (dem Jahr, in dem sich der Unfall ereignete) nicht beinhaltet habe, dass man sich durch Tragen eines Helms habe schützen müssen. Amtliche Statistiken über die tatsächliche Akzeptanz des Tragens von Fahrradhelmen wurden herangezogen, um dieses – streitentscheidende – Verkehrsbewusstsein einschätzen zu können. Interessant ist hieran, dass die Beurteilung, was noch verkehrsgerecht ist und was nicht, im Hinblick auf das sich verändernde Verkehrsaufkommen Änderungen unterliegt. Es ist möglich bis wahrscheinlich, dass angesichts steigender Verkehrsdichte in einigen Jahren das Verkehrsbewusstsein der Bevölkerung – und auch die Gerichte – die Lage anders beurteilen werden und den Radfahrern in zivilrechtlicher Hinsicht das Tragen von Helmen zumuten werden.

Dr. Henning Hartmann

Fachanwalt für Strafrecht, Fachanwalt für Verkehrsrecht