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Blutentnahme nach Alkoholfahrt zulässig?

Wenn Polizeibeamte einen Verkehrsteilnehmer anhalten und der Verdacht besteht, dass dieser unter Alkohol am Steuer sitzt, müssen sie im Rahmen der Ermittlungsschritte bestimmte Voraussetzungen einhalten, damit die Tat nachgewiesen werden kann. Beispielsweise ist die Durchführung des sogenannten Dräger-Tests („Pusten“) absolut freiwillig. Niemand kann gezwungen werden, zu pusten. Viele Verkehrsteilnehmer wissen dies nicht.

Wenn sodann eine Blutprobe entnommen werden soll, sind weitere Formvorschriften einzuhalten. Es gilt hierfür der Richtervorbehalt des § 81a Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO). Dies bedeutet, dass durch eine richterliche Anordnung der Blutentnahme, die schließlich ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit ist, ihre Berechtigung verliehen wird. Dies ist Voraussetzung dafür, dass das Beweismittel dann – später – im Strafprozess überhaupt verwertet werden darf.

In einer neueren Entscheidung hat das OLG Oldenburg ein Beweisverwertungsverbot angenommen. In der Sache konnten sich zwei Amtsgerichte nicht einigen, wer für die Anordnung der Blutentnahme zuständig war. Daraufhin hat der handelnde Polizeibeamte mit der Begründung „Gefahr im Verzug“ die Blutentnahme angeordnet. Dies ist unzulässig.

Das OLG Oldenburg hat in seiner Entscheidung vom 20. Juni 2016 (Aktenzeichen 2 Ss (OWi) 152/16) diese Vorgehensweise für rechtswidrig erklärt. Damit war die Blutentnahme im Verfahren nicht verwertbar, der Betroffene musste freigesprochen werden. Zur Begründung hat das OLG unter anderem ausgeführt, dass vorliegend die Gerichte sich schließlich geweigert hatten, die Blutentnahme anzuordnen. Es könne in diesem Falle nicht sein, dass dadurch eine im Gesetz so nicht vorgesehene Einzelteilzuständigkeit geschaffen werde. Dies hatte das Bundesverfassungsgericht in einem vergleichbaren Fall ebenso gesehen (NJW 2015, 2787).

Das allgemeine Willkürverbot, das aus Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz folge, sei insbesondere auch verletzt, weil es nicht um einen erstmaligen Zuständigkeitsstreit zwischen den hier betroffenen Amtsgerichten ging. Damit seien, so das OLG, die Amtsgerichte der ihnen übertragenen Verantwortung in objektiv nicht nachvollziehbare Art und Weise nicht nachgekommen.

Interessant in diesem Zusammenhang ist noch folgender Gesichtspunkt. Wenn ein Beweisverwertungsverbot im Strafverfahren greift (s.o., § 81a StPO) kann nach Auffassung einiger Gerichte im Rahmen des fahrerlaubnisrechtlichen Verfahrens (Anordnung der MPU) gleichwohl auf Grundlage der Blutprobe die Fahrerlaubnis entzogen werden. Nachdem das Bundesverfassungsgericht in diesen Fällen – völlig zu Recht – von einer“ flächendeckenden Aushebelung Richtervorbehaltes“ gesprochen hat, haben einige Verwaltungsgericht (unter anderem VG Gelsenkirchen, Entscheidung vom 15.1.16, 7 L 1793/16) hier keinen Hinderungsgrund gesehen, die Blutprobe im Rahmen der verwaltungsrechtlichen Entziehungsmaßnahme zu verwerten. Ein äußerst fragwürdiger Ansatz, weil hierdurch die Rechte des Betroffenen schlicht umgangen werden.

Dr. Henning Hartmann

Fachanwalt für Strafrecht
Fachanwalt für Verkehrsrecht

+49 30 69 59 84 00

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Messungen mit Gerät ESO 3.0 falsch?

Bei dem jüngsten sogenannten „Blitzermarathon“ im September 2014 wurden bundesweit tausende von Autofahrern hinsichtlich der gefahrenen Geschwindigkeit gemessen. Viele wurden zu Bußgeldern und Fahrverboten durch Bußgeldbescheide „Vor“-verurteilt. Warum „Vorverurteilt“? Ganz einfach, weil die Bußgeldstellen gar kein Urteil sprechen können. Das kann nur der Amtsrichter. Damit der Betroffene in dieses Verfahren kommt, muss er binnen einer Frist von zwei Wochen Einspruch gegen den Bußgeldbescheid einlegen. Wohlgemerkt, durch den Einspruch kann der Betroffene das Ergebnis nur zu seinen Gunsten beeinflussen, er kann also durch die Einspruchseinlegung nur gewinnen. Anders ausgedrückt, im schlechtesten Falle kann der Einspruch zu jedem beliebigen Zeitpunkt zurück genommen werden, so dass es bei dem Einspruch bleibt. Dies gilt insbesondere bei Eingreifen einer Rechtsschutzversicherung: dann kann der Bußgeldbescheid komplett ohne das Risiko entstehender Kosten angegriffen werden. Denn die Rechtsschutzversicherung für den Bereich Verkehrsrecht tritt für sämtliche Anwalts- Gerichts- und Sachverständigenkosten ein.  

 

Doch zurück zu der Frage der Angreifbarkeit der Messungen. Anlässlich des jüngsten Blitzermarathons kam auch wieder die Frage auf, ob Messungen mit bestimmten Geschwindigkeitsmessgeräten überhaupt vor Gericht verwertbar sind. Denn es kann nicht oft genug darauf hingewiesen werden: nicht die Frage, ob jemand überhaupt zu schnell gefahren ist, steht im Raum. Sondern ob es ihm mit einer für das Straf- bzw. Bußgeldverfahren hinreichenden Sicherheit nachgewiesen werden kann. Schließlich ist es – anders als zum Beispiel im Zivilrechtsstreit – nicht der Betroffene, der irgendetwas (nämlich seine Unschuld) beweisen muss. Nein, die Ermittlungsbehörde hat vollständig und mit belastbaren Beweismitteln nachzuweisen, dass der Tatbestand erfüllt worden ist. Dies trifft im Bußgeldverfahren genauso zu, wie im Strafverfahren. Gelingt dieser Nachweis nicht mit der hinreichenden Sicherheit, ist der Betroffene nach dem Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten“ freizusprechen.  

 

Sehen Sie nun folgenden interessanten Beitrag zur Frage der beweissicheren Verwertung von Geschwindigkeitsmessungen:   http://www1.wdr.de/fernsehen/regional/westpol/  

 

Besonders in der Kritik steht hiernach ein Lichtschranken-Messgerät des Herstellers Eso GmbH, nämlich das Gerät mit der Bezeichnung „ESO 3.0“. Es handelt sich um ein Lichtschranken-Messgerät, also kein Laser- oder Radarmessgerät, sondern die Messwertermittlung erfolgt anhand von Daten aufgrund von Durchfahren von mehreren Lichtschranken. Die Zweifel im Hinblick auf die Verwertbarkeit von Messungen mit diesem Gerät ergeben sich im Wesentlichen aus insgesamt drei Gesichtspunkten. Zum einen haben Amtsgerichte schon wiederholt bemängelt, dass die Ermittlung des Messwertes, also der rechnerische Vorgang, bei dem Gerät ESO 3.0 auch für Sachverständige nicht nachvollziehbar ist. Die hierfür erforderlichen Datensätze sind nicht einsehbar und daher auch nicht überprüfbar.

Weiterhin haben Auswertungen, soweit die Datensätze denn einmal zur Verfügung gestellt wurden, folgendes gezeigt. Bei der Auswertung ging das Messgerät von mehreren in Frage kommenden Messdaten von dem jeweils schlechtesten Wert, also demjenigen, der sich zu Lasten des Betroffenen auswirkt. Dies ist ein klarer Verstoß gegen den Grundsatz, dass im Zweifel zugunsten des Betroffenen entschieden werden soll (s.o.).

Schließlich haben Sachverständige für das Gerät ESO 3.0 nachgewiesen, dass die Datensätze ohne weiteres manipuliert werden können, dass beispielsweise die Daten des Betroffenen (Kennzeichen des Fahrzeuges usw.) problemlos ausgewechselt werden können. Ein weiterer Grund, sich gegen jeden Vorwurf eines Geschwindigkeitsverstoßes zu wenden und diesen gründlich überprüfe zu lassen. Oft genug mussten die Gerichte in diesen Fällen einen Freispruch ausurteilen oder haben das Verfahren eingestellt.

Autor: Dr. Henning Hartmann, Oranienburg, bei Berlin
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