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Entziehung der Fahrerlaubnis und Entschuldigung

Wenn die Fahrerlaubnis entzogen wird, wird eine Sperrfrist für die Wiedererteilung vom Gericht festgesetzt (§ 69a StGB). Die Bemessung der Sperrfrist hängt hierbei von der Schwere der Tat ab. Die Sperrfrist ist eine Nebenfolge im Rahmen des Rechtsfolgenausspruches. In einem vom Landgericht Landshut entschiedenen Fall hatte das Gericht die erhöhte Länge der Sperrfrist für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis unter anderem damit begründet, dass der Angeklagte in der Hauptverhandlung gegenüber dem Geschädigten „keinerlei Mitgefühl“ gezeigt hatte. Er hatte sich auch nicht bei ihm entschuldigt und sonst keinerlei Bedauern erkennen lassen. Hierauf gestützt war eine erhebliche, verlängerte Sperrfrist angeordnet worden.

Die Mindestsperrfrist der Fahrerlaubnis

Dies hat der Bundesgerichtshof (BGH) als rechtsfehlerhaft beanstandet. Er hat daraufhin eine kürzere Sperrfrist festgesetzt, nämlich nur noch die Mindestsperrfrist von drei Monaten (BGH, Entscheidung vom 5.7.2016, Aktenzeichen 4 SDR 188/6).

Nach Auffassung des BGH lasse die unterbliebene Entschuldigung keinen Schluss auf eine rechtsverbindliche, durch besondere Rücksichtslosigkeit oder Gleichgültigkeit gegenüber der Rechtsordnung geprägte Gesinnung oder Gefährlichkeit des Angeklagten zu. Daher dürfen, so der BGH, diese Gesichtspunkte ebenso wenig, wie bei der Strafzumessung bei der Prognoseentscheidung über die Geeignetheit zum Führen von Fahrzeugen im Rahmen des § 69a StGB, zum Nachteil des Angeklagten berücksichtigt werden.

Auf der sicheren Seite mit der Rechtsberatung

Auch an dieser Entscheidung wird wieder deutlich, dass häufig unzulässige Erwägungen der Ausgangsgerichte (Amtsgerichte und Landgerichte) zur Verletzung von Verfahrensvorschriften führen, die die Rechte des Angeklagten schützen sollen. Jeder Betroffene sollte sich daher beraten lassen und einen Verteidiger beauftragen, der auf die Einhaltung dieser Recht pocht. Dies kann sich im Ergebnis maßgeblich auf die Rechtsfolge auswirken, wie zum Beispiel im vorliegenden Fall auf die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis.

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Bußgeldbescheid: Man kann sich wehren!

Immer wieder werde ich gefragt, wie denn nun das weitere Verfahren bei Gericht ist, wenn man gegen einen Bußgeldbescheid Einspruch eingelegt hat. Um es noch einmal ganz deutlich zu sagen: in dem Einspruchsverfahren kann nur zu ihren Gunsten von der Rechtsfolge, die in dem Bußgeldbescheid niedergelegt wurde, abgewichen werden. Wenn sich in dem Verfahren herausstellt, dass keine Aussicht auf Erfolg besteht, kann der Einspruch jederzeit zurückgenommen werden. Dann verbleibt es bei dem Bußgeldbescheid. Mit anderen Worten: Sie können nur gewinnen.
Dies bedeutet, dass das Verfahren vor dem Amtsgericht etwas ist, worauf der Betroffene Anspruch hat. Es ist nicht etwa so, dass man ihnen dort etwas „Böses“ will. Es besteht ein Anspruch darauf, dass der Bußgeldbescheid auf seine Richtigkeit überprüft wird (fehlerfreies Messverfahren, Fahreridentität usw.).
Ich schreibe dies, weil bei den Betroffenen immer noch eine große Scheu davor besteht, das amtsgerichtliche Verfahren zu betreiben. Dies ist einerseits verständlich, andererseits aber – aus den oben genannten Gründen – gänzlich falsch.
Übrigens: in den meisten Fällen müssen Sie zur Verhandlung vor dem Amtsgericht gar nicht selber erscheinen. Wenn es nicht um die Person des Fahrers geht, der zum Tatzeitpunkt am Steuer gesessen hat, können Sie von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen befreit werden. Ihr Rechtsanwalt (der heißt dann Verteidiger) nimmt den Termin wahr und berichtet anschließend davon, ob zu ihren Gunsten etwas erreicht werden konnte.
Haben Sie Fragen hierzu? Dann schreiben Sie uns auch.

Dr. Henning Hartmann

Fachanwalt für Strafrecht
Fachanwalt für Verkehrsrecht

+49 30 69 59 84 00

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Blitzermarathon, was ist zu tun?

Vor einigen Tagen war es wieder soweit, im ganzen Land war Blitzermarathon. Hat es auch Sie erwischt? Fachanwalt für Verkehrsrecht Henning Hartmann sagt Ihnen im neusten Video was zu tun ist.

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Atemalkohol und dessen Ermittlung

Wenn ein Verkehrsteilnehmer mit einer Konzentration von Atemalkohol  über 0,5 Promille ein Kraftfahrzeug im Verkehr führt, droht die Verhängung eines Fahrverbotes und eine Geldbuße in Höhe von mehreren hundert Euro (§ 24a StVG).

Pflichten der Polizei und mögliche Fehler

Bei der Ermittlung des Atemalkoholgehaltes muss der jeweils die Kontrolle durchführende Polizeibeamte jedoch bestimmte Bedingungen erfüllen, damit die Messung vom Atemalkohol verwertbar ist. Wenn die Bedienungsanleitung des Messgerätes nicht eingehalten wird, kann die Atemalkoholmessung auch nicht als Beweismittel zur Grundlage einer Verurteilung gemacht werden. Das Gericht hat in diesen Fällen den Betroffenen freizusprechen. Das Fahrverbot kommt dann nicht zum Tragen.

Kontrollzeit und geringe Überschreitung des Grenzwertes vom Atemalkohol

Das Oberlandesgericht Karlsruhe hatte sich in einem Beschluss vom 15. Oktober 2015 (Aktenzeichen 27 Ss BS 499/15 – AK151/15) mit der Frage zu befassen, ob die Nichteinhaltung der Kontrollzeit bei einer Atemalkoholmessung zu einem Verwertungsverbot führt, wenn der Grenzwert nur geringfügig überschritten wurde, oder wenn eine erhebliche Überschreitung des Grenzwertes vorliegt. Das Amtsgericht hatte die Messung unter Berufen auf eine Entscheidung des OLG Bamberg aus dem Jahre 2007 für nicht verwertbar gehalten, da die zehnminütige Kontrollzeit zwischen den beiden vorzunehmenden Messungen nicht eingehalten wurde.

Zehnminütige Kontrollzeit ist nicht ausschlaggebend

Dem hat sich das OLG Karlsruhe nicht angeschlossen. Die festgestellte Nichteinhaltung der 10 Minuten dauernden Kontrollzeit, die dazu dient die Gefahr der Verfälschung der Messwerte durch eine kurz vor der Messung erfolgte Einnahme von möglicherweise die Messung beeinflussenden Substanzen auszuschließen, führt entgegen der Ansicht des Amtsgerichtsgerichtes nicht generell und nicht in jedem Fall zu einer Unverwertbarkeit des Meßergebnisses. Die Nichteinhaltung der zehnminütigen Kontrollzeit steht nur in den Fällen, in denen der Grenzwert gerade erreicht oder nur geringfügig überschritten wurde einer Verwertbarkeit grundsätzlich entgegen. Die es von 0,01 mg/Liter Atemluft, mithin 0,01 Promille die Rede. Die vor der Verwertbarkeit steht in diesen Fällen das Argument der Nichteinhaltung der Kontrollzeit entgegen, weil der gewonnene Messwert nur dann ohne Sicherheitsabschlag verwertbar ist, wenn die Bedingungen für ein gültiges Messverfahren gewahrt sind. Angesichts dessen, dass vorliegend der Grenzwert nicht geringfügig, sondern um 8 % überschritten wurde und die in der Kontrollzeit eingenommenen Substanzen festgestellt werden konnten, kommt eine Verwertbarkeit der Messung auch unter Berücksichtigung eines Sicherheitsabschlag in Betracht. Ob und in welcher Art und Weise das festgestellte Rauchen einer Zigarette und das Trinken von Wasser während der Kontrollzeit die Messung beeinträchtigt haben könnte und in welcher Höhe gegebenenfalls ein Sicherheitsabschlag vorzunehmen ist, lässt sich in diesen Fällen durchaus mit Sachverständigen aufklären.

Ein allgemeiner Grundsatz, dass Bedienungsfehler bei standardisierten Messverfahren, und hierzu gehört auch die Verwendung eines Atemalkohol Geräts, generell zu deren Unverwertbarkeit führen, existiert nicht. Vielmehr hat nach Auffassung der OLG Richter der Tatrichter bei konkreten Anhaltspunkten für Messfehler, die Zuverlässigkeit der Messung gegebenenfalls mithilfe eines Sachverständigengutachtens zu prüfen. Damit sind nach Auffassung dieser beiden Obergerichte Verstöße gegen die Einhaltung der Kontrollzeit und der Wehrwartezeit kein Kriterium mehr, um eine Unverwertbarkeit der Messung zu bejahen. Dies jedenfalls dann nicht, wenn eine mehr als geringfügige Überschreitung des Grenzwertes vorliegt.

Ob eine solche Geringfügigkeit dann auch noch bei 8 % verläuft, erscheint vorliegend zweifelhaft, denn in einer anderen Entscheidung hat das OLG Stuttgart eine Nachprüfung durch Gutachten erst dann für angezeigt erachtet, wenn eine Überschreitung von 20 % und mehr vorliegt.

Wie auch an dieser Entscheidung deutlich wird, ist die Überprüfung jedes einzelnen Tatvorwurfes anhand der Umstände der Sachverhaltsaufklärung genauestens zu überprüfen. Denn nur wenn die Verteidigung sämtliche Voraussetzungen für eine Verwertbarkeit des Beweismittels kennt, kann sie entsprechend die Verteidigungsmittel des betroffenen Mandanten ausschöpfen.

Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass eine Rechtsschutzversicherung die Kosten der Verteidigung abdeckt. Der Bereich Verkehrsrecht ist daher mittlerweile an Rechtsschutzversicherungen der bedeutsamste. Für den Betroffenen kann sich an der Frage des Vorliegens einer Rechtsschutzversicherung entscheiden, ob er sämtliche Verteidigungsmittel bemüht, oder nicht. Denn auch ein eventuell einzuholen des Sachverständigengutachten wird von der Rechtsschutzversicherung hinsichtlich der Kosten übernommen. In Verkehrsordnungswidrigkeitenverfahren und Verkehrsstrafverfahren ist daher das Vorliegen einer Rechtsschutzversicherung oft unabdingbare Voraussetzung für eine erfolgreiche Verteidigung.

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Unfall unter Alkohol: keine Haftung

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Können zwei Fahrverbote gleichzeitig „abgebrummt“ werden?

In einer interessanten Entscheidung hatte das AG Saarbrücken sich am 19.12.14 mit seinem Beschluss zum A.Z.: 22 OWi 62 Js 900/14 (394/14) mit der Frage zu befassen, ob ein Betroffener, wenn er zu zwei Fahrverboten verurteilt worden ist, diese gleichzeitig ableisten kann. Hintergrund ist, dass die Rechtskraft eines Bußgeldbescheides durch Einspruchseinlegung und -Rücknahme „gesteuert“ werden kann. So war es auch im vorliegenden Fall: der Betroffene hatte eine von zwei Entscheidungen rechtskräftig werden lassen und in einem weiteren Verfahren zu einem Zeitpunkt, in dem er in dem ersten Verfahren die eingelegte Rechtsbeschwerde zurück genommen hat, die Fahrerlaubnis – zur Ableistung beider Fahrverbote – bei der Staatsanwaltschaft abgegeben. Sodann beantragte er durch gerichtliche Entscheidung die Feststellung, dass dadurch beide Fahrverbotsvollstreckungen erledigt sind. Dies hatten in der Vergangenheit tatsächlich einige Amtsgerichte befürwortet.

 Anders sah es nun das AG Saarbrücken: Es sei davon auszugehen, dass beide Fahrverbote nacheinander zu vollstrecken sind. Hierfür spreche der Wortlaut von § 25 V StVG, der mit amtlicher Verwahrungnahme auf die jeweilige konkrete Verwahrung abziele. Zudem entfalle anderenfalls die „Denkzettelfunktion“ des Fahrverbotes. Aber: dies ist von einzelnen Gerichten auch schon anders beurteilt worden, z.B. vom AG Berlin-Tiergarten (DAR 2014, S.406).

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Unfallflucht – Führerschein nicht immer weg!

Das Unerlaubte Entfernen vom Unfallort (§ 142 StGB, genannt „Unfallflucht“) stellt einen Straftatbestand dar, das im Falle der Verurteilung zur Entziehung der Fahrerlaubnis führen kann. Betonung auf KANN, denn hierfür ist die Verursachung eine sog. bedeutenden Fremdschadens erforderlich, § 69 II Nr. 3 StGB. Wo ist nun diese Grenze zu einem solchen Schaden zu ziehen? Nach Auffassung des AG Berlin-Tiergarten (A.Z. 288 Gs 3014 Js 2061/15 (48/15)) sind 1.300,- Euro zu fordern, damit ein bedeutender Schaden vorliegt. So hatte auch schon das OLG Hamm zum A.Z. III-5 RVs 98/14 entschieden (Beschl. v. 6.11.14). Und ein genaues Hinschauen lohnt sich. Denn bei einem Totalschaden ist beispielsweise der Restwert von dem Wiederbeschaffungswert in Abzug zu bringen, um den Schadenswert zu ermitteln. Entsprechendes gilt bei der Umsatzsteuer: bei einem gewerblichen Geschädigten ist diese abzuziehen! Folge: § 69 StGB ist nicht erfüllt, die Fahrerlaubnis ist NICHT zu entziehen. Man sieht: eine detaillierte Auseinandersetzung mit dem Einzelfall kann dazu führen, dass der Führerschein gerettet wird.

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Kein Fahrverbot bei langer Verfahrensdauer

In Bußgeldverfahren wird häufig um das Fahrverbot gekämpft, denn es geht um die Befugnis des Kraftfahrers, von seiner Fahrerlaubnis Gebrauch zu machen. Anders als bei der Entziehung der Fahrerlaubnis ist jedoch bei dem Fahrverbot lediglich für eine bestimmte Zeitspanne ein Verbot ausgesprochen worden, von dieser Fahrerlaubnis Gebrauch zu machen, die Fahrerlaubnis selber besteht jedoch weiterhin fort. Wenn zwischen der Tat und dem Urteil eine bestimmte Zeitspanne abgelaufen ist, kann das Gericht gehalten sein, von der Verhängung des Fahrverbotes abzusehen. Das Thema Zeitablauf spielt nämlich vor allem bei der Frage der Erforderlichkeit einer solchen Maßnahme eine Rolle. Nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts stellt das Fahrverbot nämlich eine Denkzettel und Besinnungsmaßnahme dar und diese steht möglicherweise infrage, wenn unter anderem die zu ahnende Tat lange zurückliegt. Dies hatte auch das OLG Hamm im Jahre 2011 und das Kammergericht in Berlin im Jahre 2012 entschieden.

Und wie lange muss die Tat her sein, damit das Fahrverbot entfällt? Der erzieherische Sinn und Zweck der Maßregel wird jedenfalls dann als zweifelhaft angesehen, wenn der zu ahnende Verkehrsverstoß deutlich mehr als zwei Jahre zurückliegt, wobei der Zeitraum zwischen Tat und letzter tatrichterlicher Entscheidung von Bedeutung ist. Soll ein Einfluss des Zeitablaufs von weniger als zwei Jahren für den Betroffenen zu einem Wegfall des Fahrverbotes führen, hat der Betroffene dazu entsprechende Ausführungen zu machen. Das Gericht muss zwar generell die Möglichkeiten des Absehens von der Anordnung des Fahrverbots inklusive der Erhöhung der Geldbuße von Amts wegen prüfen, aber zu mehr als reinem Nachfragen ist das Gericht dabei nicht verpflichtet. In den Urteilsgründen muss deshalb auch nur stehen, dass das Gericht die Prüfungspflicht gesehen und berücksichtigt hat, und dass nahe liegende Umstände geprüft wurden. Der Verteidiger muss ich also von vornherein darüber im Klaren sein, mit welchem Ziel er den Betroffenen vor Gericht verteilen verteidigen möchte. Wenn es um eine Rechtsfolgen Verteidigung geht, ist es unbedingt erforderlich, den Betroffenen wenigstens hilfsweise Angaben machen zu lassen, warum das Verfahren bereits Lehre genug war. Dies, um dem Gericht die Prüfung von Umständen zu seinen Gunsten überhaupt erst zu ermöglichen. Auch das OLG Schleswig hat in einem aktuellen Beschluss vom 30.9.14 (A.Z.: 1 Ss OWi 171/14 (177/14))  denn auch entschieden, dass der Zeitablauf allein (i. S.v.: wenn keine weiteren Umstände hinzukommen) von weniger als zwei Jahren noch nicht das absehen von der Verhängung des Regelfahrverbots rechtfertigt.

 

Dr. Henning Hartmann

Fachanwalt für Strafrecht Fachanwalt für Verkehrsrecht

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Freispruch durch Amtsgericht trotz 75 km/h zu viel!

Am 2.4.2015 hat das Amtsgericht Zehdenick zum Aktenzeichen 41OWi3106J Js 26730/14 (268/14) ein bemerkenswertes Urteil gefällt.Der Betroffene war am 10.4.2014 mit einer Geschwindigkeit von angeblich 175 km/h statt erlaubter 100 km/h gemessen worden. Dies auf der Bundesstraße 167 zwischen Grieben und Linde. Die Rechtsfolge wäre bei Eintritt von Rechtskraft ein dreimonatiges Fahrverbot sowie eine Geldbuße von 660 € gewesen. Der Betroffene konnte sich jedoch erfolgreich mit folgender Argumentation verteidigen. Es handelte sich um einen selbstständigen Arzt, der darlegen konnte, vorliegend durch einen Notruf zu einem Patienten gerufen worden zu sein. Dieser Patient sei aus vorangegangenen Behandlungsjahren als schwer Diabeteskrank bekannt gewesen. Der Arzt konnte somit einen Rechtfertigungsgrund im Sinne von § 34 StGB, der für den Geltungsbereich des Ordnungswidrigkeitengesetzes in § 16 OWiG normiert wurde, plausibel darlegen.

Sowohl im Strafrecht, als auch im Ordnungswidrigkeitenrecht (und damit auch bei Geschwindigkeitsverstößen) gilt: Wer gerechtfertigt handelt, kann nicht bestraft werden. Dies hat z.B. auch der ehemalige Fußballprofi Gerhard Gerald Asamoah bereits – zumindest in der Tatsacheninstanz – erfolgreich geltend machen können, als er mit seiner hochschwangeren, in den Geburtswehen liegenden Ehefrau um einiges zu schnell unterwegs war. Auch in diesem Fall war der Amtsrichter davon ausgegangen, dass es sich bei der Sachlage um einen rechtfertigenden Notstand und damit um einen Rechtfertigungsgrund handele, der Betroffene somit nicht verurteilt werden könne (näheres zu diesem Fall: http://www.ra-hartmann.de/der-fall-asamoah-dr.-hartmann-partner.html).

Die notwendige Folge ist bei Eingreifen eines Rechtfertigungsgrundes ein Freispruch. Bei diesem werden der Landeskasse auch die Kosten des Verfahrens auferlegt. Das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde steht sodann beiden Seiten zur Verfügung. Die eingangszitierte Entscheidung ist somit noch nicht rechtskräftig.

Dr. Henning Hartmann

Fachanwalt für Strafrecht Fachanwalt für Verkehrsrecht

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Alkohol am Steuer: Führerschein nicht immer weg!

Liebe Leser meiner Beiträge im Internet, ich hoffe, Sie sind gut in das neue Jahr gekommen. Und haben die Fahrt nach der Sylvesterparty nicht mit dem Auto angetreten. Und auch nicht mit dem Fahrrad, sofern Sie Alkohol getrunken hatten. Denn häufig wird unterschätzt, dass bei einer Alkoholfahrt mit dem Fahrrad auch der Pkw-Führerschein in Gefahr ist. Zwar wird dieser nicht im Strafverfahren entzogen. Aber verwaltungsrechtlich kommt das „Dicke Ende“ in Form einer MPU. Gelegentlich lassen aber auch außerordentlich milde Urteile aufhorchen. Wie in diesem Fall, der am 7.4.14 von dem LG Kaiserslautern (A.Z.: 6070 Js 8485/13 3 Ns) entschieden wurde. Der Täter hatte stattliche 1,75 Promille im Blut und wurde von dem Strafgericht dennoch nicht als „ungeeignet“ zum Führen von Fahrzeugen eingestuft. Begründung: seit der Trunkenheitsfahrt war ein erheblicher Zeitraum verstrichen, der Täter war vorher noch nicht strafbar geworden. Zudem war er nur eine kurze Strecke gefahren. Und der Täter hat eine verkehrspsychologische Maßnahme (Mobil plus) absolviert, bei der er den Ursachen seines strafbaren Verhaltens auf den Grund ging. Zuvor hatte der Angeklagte Einspruch gegen einen Strafbefehl eingelegt, den er aber auf die Rechtsfolge beschränkte. Nach der Hauptverhandlung wurde er sodann wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr (§ 316 StGB) zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen verurteilt. Eine Entziehung der Fahrerlaubnis erfolgte nicht, sondern es wurde lediglich ein Fahrverbot verhängt. Auf d ie Berufung der Staatsanwaltschaft kam es vor dem Landgericht dann erneut zur Verhanldung über diese Rechtsfolgen. Die Staatsanwaltschaft vertrat die Auffassung, dass bei der festgestellten Blutalkoholkonzentration von 1,75 Promille in jedem Falle die Ungeeignetheit zum Führen von Fahrzeugen im Verkehr belegt sei, so dass ein Entzug der Fahrerlaubnis (§ 69 StGB) die zwangsläufige Folge sei. Dies sah das Gericht anders und folgte der Argumentation der Verteidigung. Ergebnis: kein Entzug der Fahrerlaubnis. Ein bemerkenswertes Urteil, das zeigt, dass einige Richter sich sehr individuell mit den Besonderheiten des Einzelfalles und der betroffenen Person auseinandersetzen.

Dr. Henning Hartmann, Oranienburg
Fachanwalt für Strafrecht
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Die neuen Regelungen für Flensburg-PunkteНовые правила для Фленсбурге пунктов

Nachdem jahrelang gerätselt worden war, wie die neue Flensburger Punktereform denn nun konkret aussieht, ist diese Reform nun relativ geräuschlos zum 1.5.2014 in Kraft getreten. Die Verunsicherung unter den betroffenen Autofahrern ist nach unserer Erfahrung groß. Mit diesem Beitrag soll daher der Versuch unternommen werden, einen kompakten Überblick über die wichtigsten neuen Regelungen zu verschaffen. Vorab eine klare Aussage zu der Frage, für welche Verstöße die neuen Regelungen Anwendung finden, und welche noch nach der alten Rechtslage verfahren wird. Ganz einfach: Entscheidend ist der ZEITPUNKT DER EINTRAGUNG IN FLENSBURG. Nicht der Zeitpunkt des Verstoßes, nicht der Zeitpunkt der Rechtskraft, nein, allein die Eintragung im Flensburger Verkehrszentralregister (das nun übrigens „Fahreignungsregister“ genannt wird) ist maßgeblich. Das bedeutet auch, dass nun nicht mehr taktiert werden kann – wie in der Übergangszeit – und durch Hinauszögern oder schnelles Herbeiführen von Rechtskraft quasi „gewählt“ werden konnte, welche Regeln man für sich angewendet haben möchte. Alles, was ab jetzt passiert, beurteilt sich nach den neuen Regelungen, die am 13.12.2010 verkündet wurden (vgl. BGBl. S. 1980) und die wie gesagt ab 1.5.2014 Wirksamkeit erlangt haben. Weiterhin vorab eine klare Grundaussage zu der künftigen Wertigkeit von Punkten. Auch hier eine ganz einfache Erkenntnis: Punkte werden nun „teurer“ – in dem Sinne, dass Konsequenzen für den Führerschein schneller Drohen. Ganz einfach: war der Führerschein früher erst ab 18 Punkten „weg“, reichen nun ACHT (8) Punkte aus, um der Führerscheinstelle die Entziehung zu ermöglichen. Die Folge ist, dass es nun umso mehr lohnt, gegen einen Punkteeintrag zu kämpfen, hierzu später mehr. Nun zu der Bewertung der Verstöße. Natürlich erfolgt keine Umrechnung „eins zu eins“. Denn sonst wäre wohl ein Großteil der Bevölkerung schlagartig ohne Führerschein unterwegs. Nein, die bisherige Staffelung (bisher: Ordnungswidrigkeiten 1 bis 4 Punkte, Straftaten 5 bis 7 Punkte) wird durch folgende Einteilung ersetzt. Es gibt – 1 Punkt: für normale Ordnungswidrigkeiten – 2 Punkte: für grobe Ordnungswidrigkeiten sowie Straftaten – 3 Punkte: für Straftaten mit Entziehung der Fahrerlaubnis (z.B.: Unfallflucht, Alkohol am Steuer usw.). Was ist nun eine „grobe“, was eine „normale“ Ordnungswidrigkeit? Auch hier eine klare Einteilung: Für die Bewertung der Ordnungswidrigkeiten kommt es allein auf die gesetzgeberische Festlegung in § 4 I BKatV an. Eingetragene Delikte, für die dort ein REGELFAHRVERBOT vorgesehen ist, werden mit zwei Punkten bewertet. Wichtig: wenn in dem Bußgeldverfahren eine Kompensierung des Fahrverbotes, etwa gegen Erhöhung der Geldbuße, erreicht wird, ändert dies nichts an der Punktebewertung. Mit anderen Worten, der Wegfall des Fahrverbotes ändert im Hinblick auf die Flensburg-Punkte nichts daran, dass es um eine „grobe“ Ordnungswidrigkeit ging, die mit zwei Punkten bewertet wird. Bei Straftaten, also der dritten Gruppe, wird es nun richtig interessant. Hier kommt es nämlich, anders als bei der zweiten Gruppe (s.o.) NICHT darauf an, wie der Verstoß im Normalfall zu bewerten ist. Nein, hier wird auf die TATSÄCHLICHE Entziehung der Fahrerlaubnis durch den Amtsrichter abgestellt. In den recht häufigen Fällen, in denen durch eine gute Verteidigung nicht die eigentlich angedrohte Entziehung ausgesprochen wird, sondern „nur“ ein Fahrverbot ausgeurteilt wird, erfolgt im Hinblick auf den Punkteeintrag also ein Wechsel von der dritten in die zweite Gruppe. Entscheidend ist hier, dass man den Unterschied zwischen einer ENTZIEHUNG der Fahrerlaubnis und dem FAHRVERBOT kennt und die Verteidigungsstrategie entsprechend anpasst. Wann werden Punkte nun getilgt? Hier gelten ab dem 1.5.2014 starre Fristen ohne Tilgungshemmung. Das bedeutet, dass nicht – wie früher – ein neuer Eintrag die Tilgung eines alten Eintrages hindert. Ein Hinausschieben der Rechtskraft für den neuen Eintrag, früher ein beliebtes Verteidigungsmittel, bleibt also für die Tilgung des neuen Eintrages ohne Belang. Im Hinblick auf die Führerscheinmaßnahmen und die hier nach wie vor geltende Überliegefrist (hierzu gleich mehr) kann es aber sehr wohl auf ein Hinauszögern der Rechtskraft des neuen Verstoßes ankommen. Hier nun also die konkreten Tilgungsfristen, wobei wieder die drei oben erläuterten Gruppen zur Anwendung kommen: – Ordnungswidrigkeiten mit 1 Punkt: 2,5 Jahre – Ordnungswidrigkeiten und Straftaten mit 2 Punkten: 5 Jahre – Straftaten mit 3 Punkten: 10 Jahre. Nun noch ein wichtiges Detail zum Verständnis. Eine Eintragung, die NACH dem 1.5.2014 erfolgt, führt NICHT zur Tilgungshemmung für ALTE Eintragungen. Eigentlich würde es diese Tilgungshemmung ja nach den „alten“ Spielregeln für diese Eintragung noch geben. Da es nach dem Willen des Gesetzgebers eine solche Tilgungshemmung ab dem 1.5.2014 aber schlicht nicht mehr geben soll, hat er in § 65 III Nr. 2 StVG eine wichtige Ausnahmeregelung geschaffen. Die neue Eintragung hat danach keine tilgungshemmende Wirkung für die alte Tat. Es gelten insofern – zugunsten der Betroffenen – schon die neuen Regeln. Stichwort Überliegefrist. Die Tilgungsfristen beginnen mit der Rechtskraft der Entscheidung. Hier behält die sich anschließende einjährige Überliegefrist, die ja wie gesagt für die Tilgung nunmehr ohne Bedeutung ist, eine erhebliche Relevanz. Die Überliegefrist hat nämlich für die Führerscheinstellen den Zweck, feststellen zu können, ob während der Tilgungsfrist eine oder mehrere weitere Zuwiderhandlungen begangen worden sind, die zu einem Punktestand geführt haben, die zu einer MAßNAHME (z.B. Entziehung der Fahrerlaubnis) geführt hätte. Gelingt es also, den Eintrag der neuen Tat über die Überliegefrist hinaus zu schieben, erfährt die Führerscheinstelle hiervon nichts, und die Maßnahme bleibt aus. Fazit: ab sofort ist es noch wichtiger, sich gezielt und mit den richtigen Mitteln gegen Bußgeldbescheide und strafrechtliche Verurteilungen zu wehren, wenn man seinen Führerschein behalten will. Wichtig und entscheidend ist hierbei das Hintergrundwissen zu dem jeweiligen Punktestand und die zur Verfügung stehenden, rechtlichen Instrumente für das Steuern des Verfahrens. Dies sowohl im Hinblick auf die auszuurteilende Rechtsfolge, als auch den Zeitpunkt der Eintragung in Flensburg. Verfasser: Dr. Henning Hartmann, Fachanwalt für Verkehrsrecht in Oranienburg, bei Berlin, Strafverteidiger

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