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Unzulässige Kürzung

Kürzung durch Verweis auf andere Werkstatt durch den Versicherer

Immer wieder kürzen Versicherer den Anspruch von Geschädigten nach einem Unfall dadurch, dass sie das Gutachten nicht akzeptieren und Reparatursätze von einer durch sie benannten Partnerwerkstatt ansetzen. Dies ist in den meisten Fällen unzulässig.

Der BGH hat nun in seinem Urteil vom 20.4.2015 (Aktenzeichen VI ZR 267/14) nochmals darauf hingewiesen, dass der Schädiger dem Geschädigten gemäß § 254 Abs. 2 BGB auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit nur dann verweisen kann, wenn diese mühelos und ohne weiteres zugänglich ist. Weiterhin muss er darlegen, dass eine Reparatur in dieser Werkstatt vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Werkstatt vollständig entspricht. Hierfür muss er den Vollbeweis führen. Weiterhin muss er diejenigen Umstände widerlegen, die von dem Geschädigten aufgezeigt werden und belegen, dass eine Reparatur außerhalb einer markengebundenen Werkstatt für ihn unzumutbar ist.

Unzumutbar ist eine Reparatur hiernach in einer „freien Fachwerkstatt“ für den Geschädigten insbesondere dann, wenn sie nur deshalb kostengünstiger ist, weil ihr nicht die marktüblichen Preise dieser Werkstatt, sondern auf vertraglichen Vereinbarungen mit dem Haftpflichtversicherer des Schädigers beruhende Sonderkonditionen zu Grunde liegen.

Weiterhin hat der Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer darzulegen und zu beweisen, dass die von ihm benannte „freien Fachwerkstatt“ für die Reparaturen am Fahrzeug des Geschädigten ihre marktüblichen, d.h. allen Kunden zugänglichen Preise zu Grunde legt. In dem vorliegenden Fall (Entscheidung des BGH vom Urteil vom 20.4.2015) hatte der Versicherer auf drei günstigere Werkstätten verwiesen. Davon waren zwei Partnerwerkstätten des Versicherers. Die dritte war es nicht, hatte dafür aber am Wohnort des Geschädigten nur eine „Annahmehalle“. Ihr Betrieb zur Durchführung von größeren Reparaturen, hier zu, liegt ca. 130 km entfernt. Abgerechnet die beklagte Versicherung nach den Preisen der günstigsten der drei benannten Werkstätten. Das war eine der beiden Partnerwerkstätten, mit denen die Beklagte versicherungvertragliche Beziehungen zur Regulierung von Kaskoschäden unterhält.

Das Berufungsgericht hatte keine einzige der drei Verweisungswerkstätten anerkannt

Hierbei hatte es insbesondere dargelegt, dass die beiden Partnerwerkstätten durch ihre enge Beziehung zu dem beklagten Versicherer disqualifiziert seien. Es müsse sich praktisch der Geschädigte in die Hände des Schädigers begeben, was mit der Ersetzungsbefugnis unvereinbar sei. Auch die dritte, in jeder Hinsicht „freie“ Werkstatt hat das Landgericht Hamburg aus Entfernungsgründen abgelehnt. Dies hat der BGH in dem hier zitierten Urteil bestätigt. Allerdings könne allein der Umstand, dass die fragliche „freie Fachwerkstatt“ mit dem Haftpflichtversicherer in Bezug auf Reparaturen von Kaskoschäden seiner Versicherungsnehmer vertraglich verbunden ist, eine Verweisung auf sie nicht zumutbar erscheinen lassen. Denn die Abrechnung von Kaskoschäden sei insofern etwas anderes und eine diesbezügliche Zusammenarbeit würde die Ersetzungsbefugnis des Geschädigten nicht einschränken.

Keine Verpflichtung besteht

Noch einmal ganz deutlich: nur wenn der zur Zahlung verpflichtet Haftpflichtversicherer nachweisen kann, dass die benannte Fachwerkstatt für die Reparatur des Fahrzeuges ihre marktüblichen, d.h. allen Kunden zugänglichen Preise zu Grunde liegt, dann steht eine Vereinbarung von Sonderkonditionen für Versicherungsnehmer des Haftpflichtversicherers (Kasko) einer Verweisung nicht entgegen. Hierbei muss der eintrittspflichtige Haftpflichtversicherer beweisen, dass es sich um „Jedermannpreise“ handelt, die die Alternativwerkstatt anbietet. In trifft wie gesagt die volle Beweislast. Der Geschädigte darf mit Nichtwissen bestreiten.

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Schadensersatzforderung

In welchem Umfang kann ich Schadensersatz fordern?

Die Regelung zu dem Umfang, in Schadensersatz, zum Beispiel nach einem Unfall, geschuldet wird, findet sich in § 249 BGB. Zunächst liest sich die Regelung recht eindeutig:

„Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen“.

Im Einzelfall und in vielen unterschiedlichen Konstellationen wird seit vielen Jahren darum gestritten, was denn der „erforderliche Geldbetrag“ im konkreten Fall sein soll. Hierbei ist zunächst die Erkenntnis wichtig, dass der Geschädigte wählen kann, ob er die Beseitigung des Schadens selbst unternimmt. Er soll weiterhin selbst bestimmen können, auf welche Weise er den Schaden beseitigt und ob er den Schaden überhaupt beseitigt. Kurz gesagt: es soll der Geschädigte vom Schädiger (bzw. dessen Kfz-Haftpflichtversicherung) finanziell in die Lage versetzt werden, den Schaden zu beseitigen. Dafür soll ihm der für die Schadensbeseitigung erforderliche Geldbetrag zur Verfügung gestellt werden.

Es bleibt aber weiterhin die Frage, was im Einzelfall dieser „erforderliche Geldbetrag“ ist. Anhand einzelner klassischer Schadenspositionen soll ein Überblick gegeben werden, die sich dieser Begriff im Straßenverkehrsrecht sinnvoll ausfüllen lässt.

Schadensposition Sachverständigenkosten: in einem Urteil vom 11.2.2014 hat der BGH erneut zu dieser Schadenspostzustellung. Folgender Sachverhalt zu beurteilen. Der Kläger war mit seinem Fahrzeug ein Verkehrsunfall mit Beklagten verwickelt. Die Beklagte haftete unstreitig zu 100 % (sogenannte Haftung dem Grunde nach bar gegeben) der Kläger holt ein Schadensgutachten. Gutachter errechnete einen Reparaturaufwand von 1500 € netto und berechnete dem Kläger für das Gutachten 534,55 €. Davon entfielen netto 260 € auf das Grundhonorar, der Rest auf Auslagen und Umsatzsteuer. Als Auslagen wurden berechnet: 42,40 € für Lichtbilder, 75 € für Telefon und Portokosten sowie 91,80 € für Fahrtkosten die Beklagte Kfz-Haftpflichtversicherung erstattete dem Kläger nur 390 €. Die restlichen 144,55 € waren Gegenstand der Klage. Das Amtsgericht wies die Klage ab. Das Gericht sprach dem Kläger weitere 56,90 € zu.

Es stützte sich dabei auf eine Schätzung auf Grundlage von § 287 ZPO. Dabei liegt es als Ausgangspunkt zwar die dem Kläger Gutachter erteilte Rechnung zugute, begrenzte die Erstattungsfähigkeit der einzelnen Rechnungsposten dann aber. Eine solche Kappung der Sachverständigengebühren ist nach Auffassung des zuständigen Senates des BGH nicht rechtmäßig. Zwar erlaubt § 287 ZPO grundsätzlich die Schadenschätzung ausdrücklich. Folgender Gedanke liegt der Korrektur durch den BGH zugrunde: der Schädiger hat an den Geschädigten den Geldbetrag zu bezahlen, der objektiv zur Schadensbeseitigung erforderlich ist. Dies bedeutet, dass in dem gegebenen Fall die Beklagte den Kläger den Geldbetrag zur Verfügung stellen muss, der zur Einholung eines Schadensgutachten objektiv erforderlich ist. Sie ist mit „objektiv erforderlich“ aber nicht der typische Durchschnittsaufwand für die entsprechende Leistung maßgeblich. Denn ein solcher Ansatz würde dem Grundgedanken des § 249 BGB nicht gerecht werden, nachdem der Geschädigte wirtschaftlich so weit wie möglich so zu stellen ist, als ob der Unfall nicht eingetreten wäre. Bei der Bemessung des erforderlichen Geldbetrags ist deshalb vielmehr die konkrete Situation gerade dieses Geschädigten in den Blick zu nehmen. Seine beschränkten Erkenntnismöglichkeiten und gerade für ihn bestehende Risiken sind zu berücksichtigen.

Und hier erlangt nun also die Rechnung des Sachverständigen maßgebliche Bedeutung. Hat der Geschädigte die Rechnung beglichen und legt sie im Prozess vor, dann genügt er damit regelmäßig der im Rahmen von § 249 BGB treffenden Darlegung-und Beweislast. Der Schädiger kann sich dann nicht mehr auf ein einfaches bestreiten der Erforderlichkeit des ausgewiesenen Rechnungsbetrags zurückziehen. Denn der vom Geschädigten erbrachte tatsächliche Aufwand bildet ein wichtiges Indiz für die Bestimmung des zu bemessenen erforderlichen Betrags. Dieser Betrag ist gerade das „Produkt“ der konkreten Situation. Daraus zieht die Rechtsprechung folgende Konsequenz: will der Schädiger den vom Geschädigten bezahlten Rechnungsbetrag nicht voll ersetzen, muss er darlegen und beweisen, dass der geschädigte Maßnahmen unterlassen hat, die ein ordentlicher und vernünftig denkender Mensch an seiner Stelle ergriffen hätte, um den Aufwand zur Schadensbeseitigung gering zu halten. Wichtig hierbei ist die Auffassung der herrschenden Rechtsprechung, dass der Geschädigte zu einer Recherche nach einem Sachverständigen mit einem günstigeren Honorarangebot nicht verpflichtet sein kann.

Wie an diesem Beispiel erkennbar, ist der von dem Geschädigten erbrachte Aufwand ein erhebliches Indiz für den „erforderlichen Geldbetrag“ im Sinne des § 249 Abs. 2 S.1  BGB. Erst wenn der von dem Sachverständigen berechnete Preis für den Geschädigten erkennbar und erheblich über den üblichen Preisen liegt, kann eine Kürzung auf Grundlage von § 287 ZPO vorgenommen werden. Die gelegentlich vertretene Auffassung, dass pauschal lediglich neben dem Grundhonorar des Sachverständigen Kosten in Höhe von 100 € als erforderlich anzusehen seien, genügen diesen Anforderungen nicht (BGH, Urteil vom  22.7.2014; zfs 2015, Seite 85, RN 21.)

Im Ergebnis und in der praktischen Umsetzung führt dies dazu, dass die von den Sachverständigen jeweils berechneten Gebühren auch von der Kfz-Haftpflichtversicherung des Schädigers zu tragen sind. Geschädigte sollte sich hier nicht von entgegenstehenden Argumentationen der Versicherer verunsichern lassen. Erforderlichenfalls sind auch die Sachverständigengebühren, und zwar im Wege des Freistellungsanspruches, einzuklagen.

Nun zu der sogenannten fiktiven Schadensabrechnung. Gemeint sind hier Fälle, in denen der Geschädigte ein Sachverständigengutachten (zu dessen Kosten siehe oben) vorliegt und von dem Versicherer des Schädigers den entsprechenden Nettobetrag ersetzt haben will, und zwar ohne dass eine Reparatur durchgeführt wird. Tatsächlich angefallene Kosten spielen somit bei dieser Konstellation keine Rolle. Der Geschädigte trifft vielmehr eine Entscheidung, dass er sich mit einer Abrechnung auf einer rein theoretisch ermittelten Grundlage zufrieden gibt (U. A. BGH, Urteil vom 15.7.2014 – VI ZR 313/13). Dies ist einer der Klassiker in der täglichen Auseinandersetzung mit Kfz-Haftpflichtversicherung endlich einen Anspruch auf Ersatz seiner in einer markengebundenen Fachwerkstatt anfallenden Reparaturkosten. Er darf seiner Schadensberechnung deshalb im Grundsatz insbesondere auch die Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zu Grunde legen, die der von ihm beauftragte Sachverständige ermittelt hat (vgl. hierzu unter anderem: BGH, Urteil vom achter 20.4.2015 – VI ZR 267/14, zfs 2015, S. 621 RN 10).

Nur unter ganz bestimmten Umständen ist es dem Schädiger (bzw. seiner Kfz-Haftpflichtversicherung) gestattet, den Geschädigten auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne weiteres zugänglichen anderen markengebundenen oder freien Fachwerkstatt zu verweisen. Voraussetzungen einer solchen Verweisung sind: der Schädiger legte dar und beweist, dass eine Reparatur in dieser Werkstatt vom Qualitätsstandard eher der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt vollständig entspricht. Weiterhin darf im Falle des Verweises auf eine freie Werkstatt kein Umstand vorliegen, der dem Geschädigten eine Reparatur außerhalb der markengebundenen Fachwerkstatt unzumutbar macht.

Wichtig: auch im Hinblick auf die Umstände, die dem Geschädigten die Reparatur in einer Alternativwerkstatt zumutbar machen, trägt der Schädiger die volle Beweislast. Hier ein Beispiel: in der von dem BGH am 28.4.2015 (VI ZR 267/14) entschiedenen Sachlage hatte der Geschädigte ein Gutachten vorgelegt, dem die von einem Sachverständigen ermittelten Stundenverrechnungssätze eines markengebundenen Reparaturbetriebs zu Grunde gelegt wurden. Der beklagte Haftpflichtversicherer verwies nun auf drei günstigere Werkstätten. Eine davon verfügte am Wohnsitz des Geschädigten nur über eine kleine Annahmestelle. Die eigentliche Werkstatt war 130 km entfernt. Bei den beiden anderen Reparaturbetrieben handelte es sich um Partnerbetriebe des Haftpflichtversicherers, allerdings in Bezug auf Kaskoschäden. Nahm ein Kaskoversicherer dieses Versicherers Dienste dieser Werkstätten an einem Versicherungsfall in Anspruch, so erhielt er aufgrund einer Vereinbarung des Versicherers mit der Werkstatt Sonderkonditionen. Dies galt aber wie gesagt nur in Bezug auf Kaskoschäden. Nach Auffassung des BGH ist der Geschädigte in der Tat nicht auf den 130 km vom Wohnort des Geschädigten entfernten Betrieb zu verweisen. Denn auf günstigere Reparaturmöglichkeiten muss sich der Geschädigte bekanntlich nur dann verweisen lassen, wenn die andere Werkstatt für ihn „mühelos und ohne weiteres“ erreichbar ist. Selbst wenn nun von einer Annahmestelle am Wohnort des Geschädigten zu dieser Werkstatt transportiert wird und dieser Transport kostenlos vom Reparaturbetrieb erbracht wird, ist mit diesem Transport ein zusätzlicher Zeitaufwand und die Gefahr zusätzlicher Schäden verbunden. Ein weiterer Aspekt kommt hinzu: mit der Verbringung des beschädigten Fahrzeugs in die Reparaturwerkstatt ist insofern ein Nachteil verbunden, dass im Falle etwaiger Nacherfüllungsansprüche, nämlich bei Mängeln der Reparatur, ein erschwerter Zugang zu diesem Betrieb gegeben ist.

Interessant wurde es sodann bei den beiden anderen Alternativbetrieben, bei denen der Versicherer Sonderkonditionen für den Fall von Reparaturen im Kaskofall vereinbart hatte. Hier hat der BGH klargestellt, dass dies grundsätzlich einer Zumutbarkeit nicht entgegensteht. Voraussetzung ist sodann aber weiter, dass es sich bei den der Alternativberechnung zu Grunde gelegten Preisen um solche Preise handelt, die auch jeder andere Kunde erhalten würden. Handelt es sich hingegen um Sonderkonditionen, die allein der Versicherer eingeräumt bekommt, ist keine Zumutbarkeit gegeben. Denn im Falle solcher Konditionen des Versicherers bildete die Alternativberechnung gerade nicht mehr den Betrag ab, den ein Geschädigter aufzuwenden hat, der die Reparatur unabhängig vom Schädiger in die eigenen Hände nehmen will (siehe § 242 BGB!).

Man sieht, ist die Frage nach der Bemessung des „erforderlichen Geldbetrages“ im Sinne des § 249 Abs. 2 S.1 BGB im Einzelfall schwierig. Dies wird auch durch die Anzahl von Urteilen auf diesem Gebiet deutlich.

Wie man weiterhin unschwer erkennen kann, haben Geschädigte nach einem Verkehrsunfall weitaus mehr Rechte und Ansprüche, als die Versicherer freiwillig einräumen möchten. Geschädigten kann daher nur geraten, sich von einem Fachenwalt beraten zu lassen und erforderlichenfalls den Klageweg zu beschreiten.

Erfahren Sie hier mehr über: Wie Versicherer versuchen Ihre Ansprüche zu kürzen! und Schadensersatz nach Unfall, Teil 1

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Schmerzensgeld im Strafverfahren

Das Strafverfahren dient der Ahndung der Tat gegen den Täter, nicht den Ansprüchen des Opfers. Dies ist zumindest die Grundeinteilung nach dem deutschen Rechtssystem. Wenn das Opfer Geld für die erlittenen Verletzungen einklagen möchte, hat dies grundsätzlich vor den Zivilgerichten (Amtsgerichte bei Ansprüchen bis 5.000 Euro, Landgerichte bei höheren Ansprüchen) zu erfolgen.

Eine Ausnahme gibt es allerdings. Die Rede ist von dem sogenannten Adhäsionsverfahren. Hört sich kompliziert an, ist es aber gar nicht. Dieses Verfahren sieht schlicht und ergreifend vor, dass das Opfer einer Straftat in dem Strafverfahren gegen den Täter seine Ansprüche mit geltend machen kann, wenn es einen entsprechenden Antrag stellt (§ 404 I StPO). Dann richten sich die Darlegung der Ansprüche und die Ausurteilung aber nach den zivilrechtlichen Anspruchsgrundlagen. Also sozusagen zwei Verfahren in einem: Der Strafrichter hat einerseits Strafrecht anzuwenden, andererseits aber auch Zivilrecht bei der Beurteilung der Ansprüche des Opfers. Und hier liegt auch der Grund dafür, dass die Strafrichter das Stellen dieser Anträge meist gar nicht „mögen“. Sie müssen sich auf einer fremden Spielwiese betätigen, und zwar möglichst noch rechtsmittelfest. Gleichwohl (oder vielleicht gerade deshalb, s.u.) hat der Verfasser dieses Beitrags mit dieser Art der Anspruchsgeltendmachung im Adhäsionsverfahren recht gute Erfahrungen gemacht.

Schauen wir einmal genauer hin. Der erste Vorteil liegt auf der Hand: statt zwei Verfahren führen zu müssen, hat man mit einem einzigen Verfahren sowohl die strafrechtliche, als auch die zivilrechtliche Seite über die Bühne gebracht. Dies sollte man nicht unterschätzen, und zwar insbesondere im Hinblick auf die psychische Belastung für das Opfer. Es kann im Einzelfall schon sinnvoll sein, dem Opfer bzw. Geschädigten eine unnötig hohe Anzahl von Verhandlungstagen zu ersparen. Denn gleich ob im Zivil- oder Strafverfahren, das Opfer muss sich doch mit den Geschehnissen erneut befassen und sie vor dem geistigen Auge „hervorholen“.

Warum nicht diese Belastung auf ein Minimum begrenzen? Und hier setzt nahtlos der zweite Gesichtspunkt an. Wenn nämlich im Strafverfahren eine Einigung über eine dem Opfer zu zahlende Entschädigung erzielt wird, dann ist dies in mehrfacher Hinsicht absolut wünschenswert. Zum einen wird das Opfer zufrieden sein, schnell eine Entschädigung zu erhalten und – ebenso schnell – mit der Sache „abschließen“ zu können. Zum anderen kann diese Erledigung der Sache auch für den Angeklagten Vorteile bringen. Das Gericht kann nämlich sein Bemühen darum, für seine Tat eine angemessene Entschädigung zu leisten, bei der Strafzumessung honorieren. Oder auch die Zahlung der Entschädigung als Bedingung für die Einstellung des Verfahrens gem. § 153a II StPO (Verfahrenseinstellung gegen Auflage) machen. Zwischenergebnis: Das Adhäsionsverfahren stellt in den geschilderten Fällen einen geradezu klassischen Vertreter des „Zwei Fliegen mit einer Klappe“ Prinzips dar.

Ein Wort noch zu den entstehenden Rechtsanwaltsgebühren. In vielen Fällen ist der Rechtsanwalt als Pflichtverteidiger des Beschuldigten beigeordnet. Umstritten ist nun die Frage, ob sich die Bestellung des Rechtsanwalts als Pflichtverteidiger auch auf Tätigkeiten im Adhäsionsverfahren erstreckt. Insofern wird aber inzwischen überwiegend verlangt, dass eine besondere Beiordnung des (Pflicht-) Verteidigers im Adhäsionsverfahren erfolgt, damit die Kosten von der jeweiligen Landeskasse getragen werden (vgl. u.a. OLG Karlsruhe StraFo 2013, S. 84 = StV 2013, S. 690; OLG Düsseldorf StRR 2012, S. 283; LG Osnabrück JurBüro 2013, S. 85; anderer Auffassung: OLG Rostock StraFo 2011, S.378; OLG Schleswig StraFo 2013, S. 305). Für Rechtsanwälte weiterhin interessant: eine 2,0-Verfahrensgebühr nach Nr. 4143 VV RVG fällt an, wenn Nebenkläger und Angeklagter in der Hauptverhandlung einen zivilrechtlichen Vergleich über Ansprüche des Nebenklägers wegen eines durch die Straftat erlittenen Schadens schließen. Ein Förmlicher Antrag gem. § 404 I StPO ist hierfür nicht erforderlich. Dies folgt aus Vorbemerkung 4 VV RVG und bedeutet konkret: auch wenn kein förmliches Adhäsionsverfahren nach § 404 StPO vorausgegangen ist, kann eine (2,0) Verfahrensgebühr nach Nr. 4143 VV RVG sowie eine (1,0) Einigungsgebühr nach Nr. 1003 VV RVG verdient werden, wenn Ansprüche des Nebenklägers im Strafverfahren mit verglichen werden.

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